Severin und Meister Zausel

 

 

Severin lebt, seit er denken kann, bei Zaubermeister Zacharias Zausel. Severin hat wie Meister Zausel einen Schopf roter Haare und ist sein Zauberlehrling.

Sie wohnen in einem alten Haus, das sich an einem großen Felsen lehnt, sonst würde es umfallen. Dem Dach fehlen ein paar Ziegel, da fliegen die Vögel ein und aus. Zum Lernen braucht Severin keine Zauberbücher. Die haben längst die Mäuse zerrupft und mit dem Papier die Nester für ihre Jungen gepolstert.

Severin lernt das Zaubern, indem er Meister Zausel einfach alles nachmacht. Zaubern geht so: Man nimmt den Zauberstab in die Hand, hält ihn hoch und schwenkt ihn in der Luft. Nach vorne, wenn man etwas herbei zaubern will und nach hinten, wenn man etwas wegzaubern will. Dazu muss man einen Zauberspruch sprechen, der sich reimt. Zum Beispiel: „Dreck, geh weg!“ Dann fliegt der ganze Staub aus dem Haus hinaus und alles ist wieder sauber.

Der Zauberstab ist schwarz wie Ebenholz mit kleinen, silbernen Zeichen darauf. Severin kann Sonne und Mond erkennen, eine Welle, einen Fisch, einen Vogel und sogar einen Fuchs.

Am Morgen steht Meister Zausel immer als erster auf und macht Feuer. Er bläst in die Asche, bis ein Fünkchen aufglüht. Vorsichtig legt der Zauberer trockenes Moos darauf und bläst weiter. Die ersten kleinen Flammen füttert er mit Zweiglein. Wenn sie kräftiger geworden sind, legt er dicke Äste darüber. Das dauert jeden Morgen eine Weile.

„Warum zauberst du kein Feuer?“, hat Severin einmal gefragt. „Das geht doch viel schneller.“

„Ein gezaubertes Feuer wärmt nicht“, hat Meister Zausel geantwortet. „Das weißt du doch.“ Und gezaubertes Wasser löscht nicht den Durst. Das weiß Severin inzwischen auch, deshalb holt er mit dem Kessel das Wasser von der Quelle. Meister Zausel streut Kräuter hinein, hängt den Kessel übers Feuer und bald trinken sie ihren Frühstückstee.

Heute macht sich Meister Zausel auf den Weg zu einem Kranken, den er mit Salbe und ein bisschen Zauberei heilen will. Severin muss allein zu Hause bleiben. Doch was liegt da auf dem Tisch? Der Zauberstab. Meister Zausel hat ihn vergessen. „Benutze ihn nie, wenn du alleine bist“, sagt er immer.

Aber Severin will sich nur etwas zum Spielen zaubern, vielleicht einen kleinen Hund. Ja, dann wäre er nicht mehr so allein, und der Hund müßte tun, was er will. Severin nimmt den Zauberstab in die Hand.

Da fliegt plötzlich durch das Loch im Dach ein Vogel herein, ein großer, schwarzweißer Vogel mit einem langen Schwanz. Es ist eine Elster. Sie setzt sich auf einen Balken, wippt und schreit laut und häßlich.

„Halt den Schnabel!“, ruft Severin und hebt den Zauberstab.

Da schaut die Elster stumm auf ihn herab.

Severin freut sich, dass ihm die Elster gehorcht. Und jetzt ist sein kleiner Hund dran und der Zauberspruch. Severin überlegt hin und her, dann hat er es:

„Schwarz und hell, so dein Fell.

Sei so frei und komm herbei!“

Da fliegt die Elster im Sturzflug herunter.

„He!“, schreit Severin. „Dich habe ich nicht gemeint. Du hast Federn und kein Fell.“

Aber es ist zu spät, der diebische Vogel schnappt sich den Zauberstab und fliegt damit durch das Loch im Dach hinaus. Severin schreit und läuft vors Haus. Da sitzt die Elster mit dem Zauberstab in einen Baum.

„Gib ihn wieder her!“, ruft Severin. „Der Zauberstab gehört nicht dir.“

Aber die Elster denkt nicht daran. Sie kreischt vor Vergnügen.

Severin klettert schnell auf den Baum, aber bevor er den Zauberstab erreicht, fliegt die Elster damit weg. Severin rutscht den Baum hinunter und läuft ihr nach. Am Waldrand hätte er sie fast eingeholt, aber da verschwindet der Vogel zwischen den Bäumen. Severin läuft ihm hinterher, rennt und rennt, aber plötzlich stolpert er über eine Wurzel. Er fällt hin und bleibt verzweifelt liegen.

Nach einiger Zeit fragt jemand: „Warum bist du so traurig?“

Severin blickt auf und sieht einen kleinen Fuchs neben sich sitzen, mit einem Fell genauso rot wie sein Haar. Und um den Hals hat er einen Strick geknotet.

 

 

Großmutter Ursa

 

„Warum bist du so traurig?“, fragt der kleine Fuchs.

„Weil eine Elster den Zauberstab von Meister Zausel gestohlen hat. Und jetzt ist sie weg geflogen und ich weiß nicht wohin.“

„Wenn du mich vom Strick befreist“, sagt das Füchslein, „werde ich dir den Weg zur Elster zeigen. Ich weiß nämlich, wo sie wohnt.“

„Gut“, sagt Severin erleichtert und knotet er den Strick auf. Dabei wundert er sich: „Einen Fuchs kann man doch nicht wie einen Hund anbinden.“

„Deshalb habe ich mich los gerissen“, sagt der kleine Fuchs. Er hat grüne Augen, genau wie Severin. „Und wer bist du?“, fragt er ihn.

„Ich bin der Lehrling von Zacharias Zausel, dem großen Zauberer“, antwortet Severin.

„So, so“, sagt das Füchslein. „Und ich bin Sophia, die Kluge.“

„Ich werde dich Fia nennen“, fällt Severin ein. „Ich finde, wir passen gut zusammen.“ Dann machen sie sich miteinander auf den Weg, Fia Fuchs voraus und Severin hinterher. Stunde um Stunde wandern sie durch den dichten Wald. Es dunkelt bereits, als sie zu einer alten Hütte kommen.

„Wohnt hier die Elster?“, fragt Severin.

„Nein“, sagt Fia. „Hier wohnt Großmutter Ursa.“

Severin klopft.

Urgroßmutter Ursa öffnet die Tür. .Sie hat ein zottiges Pelzkleid an, Haare im Gesicht und eine schwarz glänzende Nase. Mit tiefer Stimme brummt sie: „Was wollt ihr?“

„Dürfen wir bei dir übernachten?“, fragt Severin.

„Bitte“, fügt Fia an.

Da lässt Großmutter Ursa die beiden in ihre Hütte eintreten. Drinnen ist es kalt. Severin friert.

„Mach Feuer, wenn du es warm haben willst“, brummt Großmutter Ursa.

Jetzt ist Severin froh, dass er Meister Zausel beim Feuermachen gut zugesehen hat. Er macht es genauso und bläst in die Asche, bis ein vergessenes Fünkchen aufglüht. Vorsichtig legt Severin trockenes Moos darauf und bläst weiter. Als die ersten kleinen Flammen flackern, merkt er, dass kein Holz mehr in der Hütte ist. Da muss er wieder hinaus und welches sammeln. Inzwischen ist es Nacht geworden und Severin kann fast nichts mehr erkennen. Fia hilft ihm. Sie sieht gut mit ihren Fuchsaugen. Nachdem sie genug Zweige und Äste gefunden haben, brennt bald ein warmes Feuer auf dem Herd. Nun ist es in der Hütte auch hell geworden.

Severin erschrickt. Urgroßmutter Ursa starrt ihn aus dunklen Augen an. Ihre Hände, groß wie Tatzen mit langen, schwarzen Nägeln wie Bärenkrallen, strecken sich nach ihm aus. „Lass mal sehen, ob du Fleisch auf den Knochen hast!“

„Hilfe, Fia!“, ruft Severin. „Was soll ich tun?“

„Du musst sie kämmen“, flüstert die kluge Füchsin. „Das mag sie.“

Weil Severin nirgends einen Kamm und auch keine Bürste sieht, kämmt er Großmutter Ursa mutig mit bloßen Händen. Seine Finger trennen das verfilzte Fell. Dabei fallen Rindenstückchen, trockenes Laub, Tannenzapfensamen, Gras und Erde heraus. Als Severin die alte Ursa sogar hinter den runden Ohren krault, brummt sie vor Wohlbehagen. „Das hast du gut gemacht, mein Junge. Nun sollst du in Frieden schlafen.“ Sie zeigt Severin ein Bett im Wandschrank.

Müde schlüpft er unter die Decke. Fia rollt sich am Fußende ein und schnarcht leise. Severin fühlt sich wunderbar geborgen und schläft ebenfalls ein.

Am anderen Morgen gibt es zum Frühstück Honigmilch und Butterbrot, dann wollen Fia und Severin weiter zum Haus der Elster, um den Zauberstab zurück zu holen.

„Warte Severin!“, brummt Großmutter Ursa freundlich. Sie kramt in einer Truhe und zieht einen kleinen Lederbeutel heraus. Dahinein steckt sie ein Stück Brot und sagt zu Severin: „Immer wenn du Hunger hast, soll ein neues Stück Brot im Beutel sein.“

Severin hängt sich den Beutel um den Hals und will zur Tür hinaus. Da zwickt ihn Fia ins Bein. „Wie sagt man?“, knurrt sie. „Sag das Zauberwort!“

“Danke“, ruft Severin. „Vielen Dank für den praktischen Beutel.“

„Braver Junge“, lächelt Urgroßmutter Ursa. „Und nun viel Glück! Und dir auch, kleine Fia.“

Severin und Fia Fuchs sagen Urgroßmutter Ursa auf Wiedersehen und machen sich auf den Weg.

 

 

Der höchste Baum der Welt

 

Nachdem Severin und Fia den ganzen Morgen gelaufen sind, sagt Severin: „Das gefällt mir nicht. Der Wald hört überhaupt nicht mehr auf.“

„Und er wird auch immer unheimlicher“, knurrt Fia. „Sieh dir mal die Brombeeren an.“

Die Brombeerranken schwanken hin und her und versuchen Severin zu fangen. Sie haken ihre Dornen in seine Hosenbeine und halten ihn zurück.

„Hört auf!“, ruft Severin. „Lasst mich los!“

Die schwarzen Beeren haben kleine Gesichter und strecken Severin die Zunge heraus: „Ätsch, bätsch, wir wuchern über deinen Weg und machen ihn unsichtbar.“

Severin ist empört. „Wenn Meister Zacharias Zausel mit seinem Zauberstab hier wäre, würde er ihn hoch halten und sagen:

Leuchte, zeige, scheine,

den Weg für meine Beine.“

Fia hüpft geschickt über die Ranken und sagt:

„Ist der Weg verboten

für vier weiße Pfoten?“

„Du kannst ja auch dichten“, lacht Severin. „Toll!“ Dann fasst er vorsichtig Ranke für Ranke und hakt sie aneinander fest. Das hilft, Severin und Fia ziehen weiter. Nach einiger Zeit erreichen die beiden eine hohe Tanne, an der eine Leiter lehnt.

„Das ist ein Jägersteig“, stellt Severin fest.

„Dann ist ein Jäger auch nicht weit“, knurrt Fia und prüft die Luft. Aber ihre feine Nase kann keinen Jäger riechen.

Severin will auf die Leiter zum Jägersitz hinauf steigen, um einen guten Überblick zu bekommen. Zuerst ist Fia dagegen, aber dann lässt sie sich von Severin auf die Schultern legen. Dann klettert er Sprosse für Sprosse hoch.

„Still!“, flüstert Fia plötzlich. Sie hören über sich in der Tanne ein Getöse. Jemand schreit verzweifelt: „Lass meine Eier in Ruhe, du Dieb!“

Diebe kann Severin nicht ausstehen. Ein Marder, ein kleines Raubtier, schleicht sich gerade an das Nest einer Vogelmutter. Sie trägt ein unscheinbares braunes Federkleid mit weißen Pünktchen.

„Runter vom Nest“, faucht der Marder und zeigt seine spitzen Zähne. „Gib mir ein Ei oder ich fresse dich!“

Da hüpft die Vogelmutter in ihrer Not aus dem Nest. Der Marder schnappt sich ein Ei. Fia beißt ihn ins Bein. Da fällt dem Marder vor Überraschung das Ei aus dem Mau. Severin erwischt es gerade noch. Fia lässt den Marder los, da plumpst er in die Tiefe. Uuah!

„Ich bin ja so froh“, jubelt die Vogelmutter. „Zum Dank dafür, dass ihr mein Ei gerettet habt, will ich euch eine Feder geben.“ Sie zieht sich eine braune Feder mit weißen Pünktchen aus und reicht sie Severin. „Wenn ihr einmal in Not seid, müsst ihr nur die Feder anblasen und meinen Namen sagen.“

„Danke“, sagt Severin und steckt die Feder in seine Tasche. Fia setzt sich wieder auf seine Schulter und Severin klettert weiter auf der Leiter nach oben. Nach einer Weile fällt ihm ein, dass er etwas vergessen hat und er will wieder hinunter steigen.

„Was ist los?“, fragt Fia.

„Der Name“, antwortet Severin. „Der Vogel hat mir seinen Namen nicht gesagt. Wie soll ich ihn denn rufen, wenn ich in Not bin und die Feder anblase?“

„Richtig“, seufzt Fia. „Aber ich würde gerne mal wieder auf meinen eigenen vier Pfoten stehen.“

„Es kann nicht mehr lange dauern“, tröstet Severin die kleine Füchsin, „dann sind wir auf dem Jägersitz und machen eine Pause.“

Da zwitschert es fröhlich neben ihnen. Die Vogelmutter ist ihnen nachgeflogen. „Ich heiße Tilli Tannenhäher“, ruft sie. „Viel Glück und alles Gute!“ Dann fliegt sie wieder zu ihrem Nest hinunter. Severin hätte sie noch gerne gefragt, wann denn endlich der Jägersitz kommt. Er ist müde und erschöpft. Aber er beißt die Zähne zusammen und klettert weiter. Endlich blitzt es blau durch die Tannenzweige. Und dann ist der Wipfel des höchsten Baums der Welt erreicht – und die Leiter führt noch weiter. Direkt in den Himmel hinein.

 

 

Eine wilde Jagd

 

Severin klammert sich an die letzte Sprosse der Leiter. Ringsum ist nur Himmel. „Und jetzt?“, fragt er verzagt. „Müssen wir vielleicht denn den ganzen Weg wieder zurück klettern?“

„Iwo!“, lacht Fia und springt von Severins Schultern direkt auf das Himmelsblau. „Endlich wieder auf vier Pfoten stehen“, freut sie sich. „Das ist wunderbar!“ Sie wälzt sich voll Vergnügen. Severin macht auch einen Schritt auf das Blau. Es ist fest und trägt ihn. Da atmet er tief durch und läuft mit Fiaüber die Himmelswiese. Überall blühen Sternenblumen und blaue Gräser wehen im Wind.

Plötzlich hält Fia an und spitzt die Ohren. „Da kommt was daher“, knurrt sie warnend.

Severin wundert sich. Es ist doch alles in Ordnung. Doch jetzt treibt der Wind eine Wolke vor die Sonne. Es wird kalt. Dann wälzt sich noch eine Wolke heran, sie wird groß und größer, haushoch. Ein Haus auf Stelzen, nein, das sind vier Wolkenbeine mit Hufen, die da herangaloppieren. Darüber ragt ein riesiger Leib mit Hals und Kopf und wirrer Mähne.

„Ein Pferd“, schreit Severin. „Ein Wolkenpferd.“

„Iiihaha!“, wiehert das Wolkenpferd so laut, dass der Himmel widerhallt.

„Brrr!“ Auf dem riesigen Pferd sitzt ein Reiter. Er zieht die Zügel an. „Brrr! Wer seid denn ihr?“, schallt es von oben herab.

„Ich bin Severin“, ruft Severin hinauf.

„Und ich bin Fia“, bellt die kleine Füchsin.

„Was?“, brüllt der Reiter. „Ich verstehe nichts.“ Er steigt vom Pferd und legt sich neben Severin und Fia auf die Himmelswiese. „Nun kann ich euch Winzlinge besser hören.“

Severin fängt noch einmal an: „Ich bin Severin, der Zauberlehrling. Und das ist Fia, meine Freundin.“

„Freut mich“, sagt der Reiter. „Und ich bin Willibald, der Wolkenriese.“

Willibald ist wirklich riesig. Er hat einen weißen, flusigen Wolkenbart und himmelblaue Augen. Er treibt die Wolken über den Himmel, dorthin, wo es regnen soll.

„Weißt du was?“, sagt Willibald. „Zaubere mir doch etwas vor, du Zwerg! Das ist mal eine lustige Abwechslung.“

„Das kann ich nicht“, sagt Severin. „Leider. Ohne Meister Zausels Zauberstab kann ich nicht zaubern. Den hat nämlich eine Elster gestohlen. Wir sind auf dem Weg zu ihr.“ 

„Was bist du für ein jämmerlicher Wicht, der nicht mal zaubern kann“, ruft Willibald enttäuscht. „Dann machen wir eben eine lustige Jagd. Ich bin der Jäger und ihr seid das Wild.“ Willibald lacht dröhnend und steigt auf sein riesiges Wolkenpferd. „Los, lauft davon!“, brüllt er. „Ich gebe euch einen Vorsprung.“

„Das ist nicht fair!“, ruft Severin. „Ihr seid so groß, du und dein Pferd, und wir sind so klein.“

„Los, lauf!“, zischt Fia ihm zu. „Immer hinter mir her.“

Und dann schießt sie im Zickzack wie ein roter Blitz über die blaue Himmelswiese. Der Riese reitet im Galopp hinterher. Aber das Wolkenpferd kann die Zickzack-Kurven nicht so schnell nehmen, es schießt geradeaus weiter und muss immer wieder umdrehen.

„Hoho!“, lacht Willibald, dass der Himmel nur so widerhallt. „Das ist lustig. Hojahoo!“

Severin keucht: „Ich kann bald nicht mehr, Fia.“

„Du hast doch die Feder“, erinnert sich die Füchsin.

„Richtig“, sagt Severin und fischt im Laufen die braune Vogelfeder mit den weißen Pünktchen aus seiner Tasche. Er bläst darauf, aber ihm fällt der Name nicht mehr ein. „Fia,“ japst Severin. „Wie heißt die Vogelmutter?“

„Thea Tannenzapfen.“

Die Hufe des Wolkenpferds kommen Severin gefährlich nahe.

„Nein“, schreit Severin. „Sie heißt Tilli Tannenhäher. Hilfe!“

Da: die weißen Pünktchen fliegen von der braunen Feder herunter, sie verwandeln sich in Schneeflocken und hüllen den Wolkenriesen in einen eisigen Wirbel.

„Aufhören!“, ruft Willibald.

Aber die Schneeflocken werden zum Sturm und treiben ihn samt seinem Wolkenpferd weit fort.

„Danke, Tilli“, seufzt Severin und atmet auf.

„Schau mal!“, ruft Fia. Die Füchsin hat einen Regenbogen entdeckt, der sich wie eine breite Brücke zur Erde biegt.

„Eine tolle Rutschbahn“, lacht Severin. „Achtung, fertig, los!“

Hui! Die beiden zischen den Regenbogen hinunter. Es ist Nacht, als sie endlich in etwas Weichem und Warmen landen. Und sofort einschlafen.

 

 

Das Muschelspiel

 

„Guck mal, Fia, wir sind in einem Nest“, sagt Severin am anderen Morgen. „Mitten in einem See.“ Das Nest ist aus Schilf gebaut und mit Federn weich gepolstert.

„Wem es wohl gehört?“, überlegt die Füchsin laut.

Da schwimmen zwei große weiße Schwäne herbei. „Uns!“, zischen sie. „Macht, dass ihr raus aus unsrem Nest kommt!“

„Gleich“, meint Severin. Er holt aus dem Lederbeutel, den ihm Großmutter Ursa geschenkt hat, ein Stück Brot heraus. Die Schwäne recken sich hoch auf und schlagen zornig mit den Flügeln.

„Habt doch Geduld!“, bellt Fia.

Das ärgert die Schwäne noch mehr. Sie recken ihre Hälse und wollen die kleine Füchsin angreifen. Severin hat inzwischen das Brot in kleine Stücke gebrochen und wirft es nun den Schwänen zu. Da werden sie friedlich. Sie fischen die Bröckchen aus dem Wasser und futtern sie.

„Gut gemacht!“, hört Severin plötzlich jemand hinter sich sagen. Er dreht sich um und entdeckt eine wunderschöne Frau, die sich am Rande des Schwanennests festhält. In ihren langen, nassen Haaren steckt eine Seerose. Severin kann gar nicht wegsehen, so gut gefällt sie ihm. Er kriegt sogar einen roten Kopf.

„Schwimm mit mir!“, sagt die Frau und lächelt ihn an.

Severin will sofort ins Wasser. Fia kann ihn gerade noch zurückhalten. „Das ist eine Nixe“, faucht sie. „Siehst du nicht ihren Fischleib?“

„Das ist die Nixe Morgana“, schnattern die Schwäne, „Sie ist die Herrin des Sees.“

Morgana lächelt Severin an: „Ich habe einen Unterwasserpalast. Willst du ihn sehen?“

Severin nickt. Er war noch nie in einem Palast.

„Dann komm!“, sagt die Nixe und kitzelt ihn mit der Seerose aus ihrem Haar.

Fia schnappt danach. „Bleib hier, Severin“, bellt sie. „Nixen sind manchmal gefährlich.“

Aber Morgana verspricht Severin ihre Schätze. Er soll sich davon aussuchen dürfen, was er will. Severin beugt sich über den Nestrand und blickt in die Tiefe. Ja, da unten funkelt es. Severin wird gierig nach dem Gold, den Perlen und Edelsteinen. Und Morgana ist so schön. Entschlossen reicht Severin der Nixe die Hand. Morgana streicht mit kühler Hand über sein Gesicht. „Jetzt kannst du atmen wie ein Fisch“, sagt sie und zieht Severin über den Nestrand ins Wasser.

Es wird immer dämmriger, je weiter Severin mit der Nixe in die Tiefe taucht. Auf dem Grund des Sees steht der gläserne Palast der Nixe.

„Zuerst wollen wir das Muschelspiel spielen“, sagt Morgana und führt Severin in ihren Unterwassergarten. Dort wachsen viele Muscheln. In ihren geöffneten Perlmuttschalen schimmern Perlen. Morgana erklärt Severin das Muschelpiel: Man muss abwechselnd eine gewisse Anzahl von Perlen aus ihren Schalen heraus- und in andere hinein tun und wer am Schluss die meisten Perlen hat, hat gewonnen. Severin meint, das sei leicht und er werde gewinnen.

„Wenn du aber verlierst“, sagt Morgana, „musst du für immer bei mir bleiben.“

Sie spielen, und Severin verliert.

Morgana lacht laut auf. „So ein Spaß! Gierige Jungen spielen am besten, aber zum Schluss verlieren sie doch. Nun gehörst du mir.“

Severin stöhnt: „Bitte, lass mich frei!“ 

Die Nixe kichert: „Ich will gnädig sein und dich frei lassen, wenn du dreimal gelacht hast.“

Severins Herz wird so schwer wie ein Stein. Er spürt, dass er nie mehr lachen können wird.

Und dann steckt die Herrin des Sees Severin in einen Käfig aus geflochtenen Seerosen-Stängeln und lässt ihn allein.

Der helle Wasserspiegel hoch oben schwappt unruhig hin und her. Flecken aus Sonnenlicht und Wolkenschatten wechseln einander ab. Severin ist tief traurig und lässt den Kopf hängen.

Plötzlich macht es Plitsch und etwas Rotgoldenes schießt wie ein Pfeil nach unten.

Severin hebt den Kopf und sieht einen kleinen Goldfisch mit grünen Augen näher kommen. Er zwängt sich durch die Seerosen-Stängel des Käfigs, aber er bleibt stecken. Wie er kämpft und zappelt! Da muss Severin zum ersten Mal lachen, weil das so komisch aussieht. Dann dehnt er die Stängel, und der kleine rotgoldene Fisch schlüpft zu ihm in den Käfig.

 

 

 

Der große Kampf

 

Severin und Fia fliegen als zwei weiße Tauben pfeilschnell über den Wolken. Plötzlich hören sie Donner grollen, zuerst von ferne, dann kommt er immer näher. Mächtige Hufe stampfen heran, der Krach ist ohrenbetäubend.

„Das ist das Wolkenpferd“, ruft Fia erschrocken. „Und oben drauf sitzt der Wolkenriese Willibald.“

„Hoho!“, brüllt er. „Ihr schon wieder, ihr macht mir nichts vor, ich erkenne euch auch in Taubengestalt. Aber diesmal erwische ich euch. Das wird eine lustige Jagd. Hojahoo!“

Severin und Fia zischen nach oben und nach unten, nach rechts und nach links, aber Willibald kommt ihnen immer näher.

„Severin, sieh dich mal um“, keucht Fia. „Da fährt ein roter Blitz durch den Himmel.“

„Das ist der Drache“, ruft Severin erschrocken. „Er verfolgt uns auch.“

Vor Jagdeifer achten die beiden Großen auf nichts anderes als ihre kleine, geflügelte Beute. Und dann passiert es: Der Wolkenriese und der rote Drache prallen aufeinander. Es blitzt gleißend, es donnert ohrenbetäubend, Hagel prasselt los, Wind fegt in Schüben, das Wolkenpferd wiehert, der Drache faucht Feuer und Willibalds Wolkenbart fliegt davon.

„Hojahoo!“ Der Wolkenriese jubelt. Das ist der richtige Gegner. Und auch der rote Drache stürzt sich freudig in den Kampf. Wie sie toben, wie es dampft und wölkt!

Fia und Severin werden kopfüber, kopfunter durch den Himmel gewirbelt. Severin verliert sogar ein paar Schwungfedern und taumelt durch die Luft. Dann trudelt er durch viele kleine Wölkchen. Sie treiben wie eine Schafherde über der grünen Erde. Severin fällt und fällt. Die Wipfel eines Waldes kommen immer näher, und da, da ragt eine Leiter in die Höhe. Severin schafft es: er landet auf der obersten Sprosse. Fia flattert herbei und setzt sich neben ihm. „Gerettet!“, gurrt sie. „Wir sind wieder auf dem höchsten Baum der Welt.“

Severin nickt. „Aber ich muss mich verwandeln, Fia, weil ich mit einem kaputten Flügel nicht fliegen kann.“

„Ich mag auch keine Taube mehr sein“; nickt Fia.

„Aber was denn dann?“, fragt Severin ratlos.

Da sieht Fia unter sich ein Bündel Tannenzapfen hängen, an dem ein rotes Tier mit buschigem Schwanz fleißig knabbert. Da lacht Fia und ruft:

„Flink und fleißig,

Eichhorn heiß ich.“

„Flink und froh,

ich ebenso“,

fällt Severin ein. Und dann springen zwei rote Eichhörnchen mit grünen Augen fröhlich den Tannenbaum hinunter. Sie brauchen dazu keine Leiter. Bald erreichen sie das Nest von Thea Tannenhäher und bewundern ihre Kleinen, die inzwischen geschlüpft sind. Auf ihren braunen Federchen kann man schon die ersten weißen Pünktchen erkennen.

„Weißt du noch, wie sie zu Schneeflocken wurden?“, fragt Severin.

„Es war ein richtiger Schneesturm“, nickt Fia. „Und hat den Wolkenriesen vertrieben.“

„Das ist lange her“, seufzt Severin. „Fia, wir müssen endlich zum Haus der Elster und Meister Zausels Zauberstab holen.“ 

Sie verabschieden sich von Thea Tannenhäher und ihren Kleinen und fegen von Ast zu Ast bis fast zum Boden hinunter. Die Brombeeren, die inzwischen alles überwuchert haben, können sie nicht aufhalten, denn die Eichhörnchen bleiben in den Bäumen und springen von Stamm zu Stamm. Endlos weit ist der Wald. Severin kommt es so vor, als gäbe es nur noch Bäume auf der Welt. Endlich kann er das Dach einer Hütte erkennen.

„Ist das das Haus der Elster?“, fragt er. Er freut sich schon, dass sie endlich am Ziel sind.

„Verflixt!“, keckert Fia. „Wir sind nicht vorwärts, sonder zurück gesprungen. Das ist die Hütte von Urgroßmutter Ursa.“

Severin fällt fast vom Ast, auf dem er sitzt. Er kann sich gerade noch mit seinen Eichhörnchen-Krallen festhalten.

Fia spitzt ihre Ohren mit den roten Büscheln. „Ich glaube, Urgroßmutter Ursa hat Besuch.“

In der Hütte schluchzt eine Stimme: „Weißt du nicht, wohin sind die Kinder gegangen sind?“

„Doch“, brummt Urgroßmutter Ursa mit Bärenstimme. „In die weite Welt hinaus. Ich habe ihnen auch Brot mitgegeben.“

„Aber sie sind doch noch viel zu klein“, kreischt die Stimme.

„Das ist meine Mutter“, seufzt Fia, „Elise Elster.“

 

 

Elise Elster

 

Severin wird so zornig, wie es nur ein Eichhörnchen werden kann. Wie eine kleine Rakete zischt er durchs Fenster in die Hütte hinein. Im Kamin brennt ein Feuer. Davor sitzt Urgroßmutter Ursa in einem Lehnstuhl und wärmt ihr Bärenfell. Auf der Rückenlehne hockt eine schwarzweiße Elster und wippt mit ihrem langen Schwanz

„Gib mir sofort den Zauberstab zurück“, schreit Severin wütend. „Du hast ihn gestohlen, du diebischer Vogel.“

„Was geht das dich an?“, krächzt die Elster. „Du komisches Eichhörnchen.“

„Ich bin keine Eichhörnchen“, ruft Severin, „In Wirklichkeit bin ich Severin, der Zauberlehrling.“

„Severin“, kreischt die Elster. „Severin, mein süßes kleines Severinchen.“

„Ich bin nicht dein Severinchen“, faucht Severin erbost. „Und klein bin ich schon lange nicht mehr.“ Zornig klettert er am Lehnstuhl zu Elise Elster hinauf.

Urgroßmutter Ursa äugt ihm nach und brummt: „Vorsicht, Severin!“

Aber Severin hört gar nicht. Er sieht nur die boshafte Elster, die schuld ist, dass er nicht zu Hause bei Meister Zacharias Zausel sein kann, sondern durch die Welt irren muss, um den Zauberstab zu finden, den sie gestohlen hat. Er packt die Elster beim Schwanz und reißt ihr eine Feder aus.

„Du freches Kind“, kreischt Elise. „Das sollst du büßen!“

Genau in dem Moment springt noch ein Eichhörnchen zum Fenster herein. Es ist Fia. „Mutter!“, ruft sie. „Tu ihm nichts!“

„Du kommst mir gerade recht“, schreit die Elster Fia an. „Du Herumtreiberin! Hab ich dir nicht verboten, von zu Hause auszureißen? Aber du schlaues Kind hast dich in einen Fuchs verwandelt. Und als ich dich mit einem Strick festgebunden hatte, hast du dich losgerissen und bist auf und davon.“

„So war das also“, murmelt Urgroßmutter Ursa, und auch Severin weiß jetzt, warum Fia Fuchs einen Strick um den Hals geknotet hatte, als er sie zum ersten Mal sah.

Elise Elster schimpft weiter: „Und nun schon wieder so eine alberne Verwandlung: ein Eichhörnchen. Findest du das lustig?“

„Es war so praktisch“, protestiert Severin. „Damit sind wir gut den Weltenbaum herunter und durch den Wald gekommen.“

Die Elster beruhigt sicht und blickt Severin neugierig an. „Ich möchte nur zu gerne wissen, wie du als Mensch aussiehst. Los, verwandle dich!“

„Nein, du zuerst, Elise!“, brummt Urgroßmutter Ursa. „Ich erinnere mich, dass du sehr hübsch warst. Bist du es immer noch?“

Da kann Elise Elster nicht widerstehen. Sie lacht. „Hilfst du mir dabei, Großmutter?“

Ursa nickt. Da flattert die Elster von der Stuhllehne zu Boden und dreht sich drei Mal im Kreis herum. „Dreimal dreh und wend‘ ich mich.“

„Elster, nun verwandle dich!“,

brummt Urgroßmutter Ursa. Und aus einem Wirbel von Federn taucht eine schöne Frau mit schwarzem Haar auf. Sie trägt ein weißes Kleid mit einer schwarzschillernden Schürze.

Severin bleibt der Mund offen stehen. Elise ist wunderwunderschön.

„Du hast dich nicht verändert“, sagt jemand und tritt zur Tür herein.

„Ein Fremder!“, keckert Fia ängstlich und springt Großmutter Ursa auf den Schoß.

„Nein, das ist kein Fremder“, jubelt Severin. Er springt auf ihn zu, klettert an ihm hoch und zaust ihm liebevoll den Bart. „Das ist Meister Zausel“, keckert Severin. „Mein lieber Meister Zausel!“

„Willkommen, Zacharias!“, grüßt ihn Urgroßmutter Ursa.

„Ach, du bist’s“, sagt Elise nur.

„Ja, ich bin’s“, antwortet Meister Zausel. „Und das andere Eichhörnchen ist wohl Fia.“

„Klar, das ist Fia“, sagt Severin und plötzlich weiß er nicht mehr, wer Fia wirklich ist. „Wer bist du eigentlich?“, fragt er. „Zuerst hast du dich in einen Fuchs verwandelt, Fia, dann in einen Fisch, in einen Frosch und einen Floh. Bist du vielleicht in Wirklichkeit die Prinzessin?“

Fia wippt mit ihrem Eichhörnchenschwanz und hüpft vergnügt auf Urgroßmutter Ursas Schoß auf und ab. „Nein, ich bin eine Hexe.“

„Eine kleine Hexe“, verbessert Elise. „Weil ich die große bin und deine Mutter.“

„Und ich dein Vater“, sagt Meister Zausel.

 

 

Zum guten Schluss

 

Severin sitzt immer noch auf Meister Zausels Schulter, aber plötzlich wird er so traurig, dass er seinen buschigen Eichhörnchenschwanz über die Augen legt, damit niemand sehen kann, wie er weint.

Zacharas Zausel spürt es trotzdem und streicht zart über Severins rotes Fellchen. Er fragt: „Warum bist du so traurig, mein Kleiner?“

„Weil ich keinen Vater habe“, schluchzt Severin. „Und auch keine Mutter. Ich bin ja so allein.“

„Bist du nicht“, brummt Urgroßmutter Ursa. „Zacharias Zausel ist auch dein Vater.“

„Was?“, ruft Severin. „Ist das wahr?“

Meister Zausel nickt verlegen.

„Und warum hast du das nie gesagt?“, schreit Severin zornig und zieht ihn am Bart.

„Weil ich dich nicht unglücklich machen wollte“, murmelt Zacharias Zausel. „Sonst hättest du vielleicht noch gefragt, wer deine Mutter ist.“

„Und wer ist meine Mutter?“, brüllt Severin.

„Ich“, sagt Elise und breitet ihre Arme aus.

Severin will direkt hinein springen, aber es geht nicht. Mitten in der Luft hält er an und fällt auf Fia hinunter, die immer noch in Urgroßmutter Ursas Schoß sitzt.

„Au, du Dussel“, keckert Fia und schubst Severin weg. Dann fällt ihr etwas ein: „He, wenn Elise und Zacharias unsere Eltern sind, weißt du dann, wer wir sind?“

Severin ist wie vor den Kopf geschlagen.

„Wir sind Bruder und Schwester“, lacht Fia glücklich. „Wir gehören zusammen.“

„Fia!“ Severin kann’s nicht fassen. „Fia, liebe Schwester!“ Und dann wird er fast verrückt vor Freude und wirbelt mit Fia durch die Hütte.

Urgroßmutter Ursa blickt aus klugen Bärenaugen auf die Hexe Elise Elster und den Zauberer Zacharias Zausel. „Habt ihr euch nichts zu sagen?“, fragt sie freundlich.

Zacharias nickt. „Es tut mir Leid, dass ich dich vor drei Jahren verlassen und Severin mitgenommen habe. Willst du mir verzeihen?“

„Ja“, sagt Elise. „Wenn du mir verzeihst, dass ich dir den Zauberstab genommen habe.“

„Aber warum?“, will Meister Zausel wissen. „Du bist doch eine Hexe und kannst ohne Zauberstab zaubern.“

„Ich wollte, dass Severin mir nachläuft“, erklärt Elise Elster. „Ich hatte solche Sehnsucht nach ihm.“

„Und ich nach Fia“, gesteht Zacharias Zausel. „Sie ist wirklich ein hübsches Eichhörnchen, aber ich würde zu gerne wissen, wie sie als Mädchen aussieht.“

Zacharias und Elise blicken sich an, dann rufen sie wie aus einem Mund: „Verwandelt euch, bitte!“

Severin und Fia hören mit dem Toben auf. Sie holen tief Luft und denken scharf nach, aber es fällt ihnen kein Reim ein. Sie wollen nämlich lieber leichte, lustige Eichhörnchen bleiben.

Da lacht Urgroßmutter Ursa ein tiefes Bärenlachen und brummt:

 

„Vater, Mutter, die sich lieben

wollen Menschenkinder kriegen.“

 

Und zick, zack, verwandeln sich die beiden Eichhörnchen in zwei Kinder mit roten Haaren und grünen Augen. Es wird ganz still, weil sie so schön sind. Und dann umarmen sich alle und sind überglücklich.

Plötzlich hört man über der Hütte ein lautes Schwirren und Pfeifen. Severin und Fia laufen vor die Tür und sehen zwei Schwäne vorüber fliegen. Einer trägt Urgroßmutters Ursas Brotbeutel im Schnabel. „Den hast du ein zweites Mal bei uns vergessen“, ruft er und lässt ihn fallen.

Severin fängt ihn auf. „Danke!“

„Gute Reise!“, ruft Fia den Schwänen nach.

Und dann nehmen Elise Elster und Zacharias Zausel ihre Kinder bei der Hand und verabschieden sich von Urgroßmutter Ursa. Sie wandern nach Hause. Zuerst in Elises Hexenhaus, das im Westen des Waldes auf einer Lichtung steht. Dornen ranken an seinen Mauern. Eliste läuft schnell ins Haus und gibt Zacharias den Zauberstab zurück. „Danke“, sagt er und gibt ihr einen Kuss. Da wachsen Rosen an den Ranken und blühen.

Nach einiger Zeit ziehen alle nach Osten in Meister Zausels Hütte um. Sie reparieren das Dach, und Severin macht echtes Feuer im Herd. Fia holt mit dem Kessel Wasser aus der Quelle für den Tee. So ziehen sie noch oft hin und her, aber immer besuchen sie Urgroßmutter Ursa, deren Hütte genau in der Mitte steht.

Und wenn sie nicht gestorben sind, so leben sie noch heute in Glück und Frieden.

 

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