Geborgenheit mit Hühnermägen in Käsesauce und Reis

 

 

 

 

 

„Heut gibt’s mein New Yorker Lieblingsessen“, verkündet Paula ihrer Küchenfee, die wieder mal vorbei geflogen ist und Lust auf eine Geschichte hat. Appetit auch.

 

„New York“, sagt die Küchenfee. „Wie bist du denn nach New York gekommen?“

 

„Durch die Liebe“, seufzt Paula. „Da war damals so einer auf Durchreise, so ein junger, rothaariger Amerikaner, der ist mir zum Schicksal geworden.“

 

Paulas Schicksal wohnte in New York in einer WG. Als Paula sich das Geld für den Flug zusammen gespart hatte und endlich, endlich auf dem J.F.K. Flughafen gelandet war, gab‘s keine offenen Arme zum Reinfliegen in Zeitlupe. Aber eine Werbung in der Subway: „You have come al long way, baby.“ Gemeint war jedoch eine Zigarette. Paulas Schicksal hattte sich inzwischen anderweitig verliebt. Harte Zeiten für sie. Zum Ausgleich sagten die Damen der New Yorker Telefonauskunft ‚Welcome!‘ zu Paula, wenn sie sich für die Nummer eines Verlags bedankte. Sichheitshalber hatte sie nämlich ihre Mappe mit den Illustrationen mitgenommen. „Thank you!“ – „You are welcome!“ Wie freundlich sie waren.

 

Paula bekam das alte Zimmer ihres Schicksals, er zog zu seinem neuen.

 

„Wir waren zu viert“, erzählt Paula. „John, Suzanne, Arthur und ich, in der Bronxer WG.

 

„Uh“, schaudert die Küchenfee. „Die Bronx, ist die nicht furchtbar gefährlich?“

 

„Die Nordbronx nicht“, sagt Paula. „Damals jedenfalls. Aber die Südbronx schon.“

 

Dort arbeitete John. John kam aus Boston und hatte unglaublich schwarz-schwarze Haare, wenige auf dem Kopf, dafür aber einen dichten Bart, und seine Brusthaare spitzten immer aus dem Halsausschnitt. Er und sein Freund Ron, ein junger Mann mit Hasenzähnen und einem blauen Glasauge, hatten eine kleine Alphabetisierungs-Schule gegründet, für schwarze Jungs, die es in der Schule nicht gepackt hatten. John radelte jeden Tag rüber, nachts parkte das Fahrrad im Wintergarten. In dem auch der Zeichentisch stand, den er für Paula gefunden hatte.

 

Suzanne (sprich: Susään, so wie Leonhard Cohen es sang) arbeitete als Mathematik-Lehrerin in Harlem, ein Jahr lang, dann hätte sie das Geld für die Studiengebühren beisammen gehabt. Sie wollte Jura studieren und gegen das ungerechte System kämpfen. Aber sie brauchte länger, denn praktisch ernährte sie uns. Suzanne kam abends oft mit eine großen braunen Papiertüte nach Hause und füllte den leeren Kühlschrank.

 

Den vierten im Bunde, Arthur, mochte Paula nicht besonders. Denn der putzte das Vollkornbrot weg, das sie für sich gekauft hatte. Es gab sonst nur Wattebrot, chunk food. Arthur war Gutes gewöhnt, er kam aus einer reichen Familie aus Long Island. Neunzehn und schlacksig, war er das, was man heute cool nennt. Er trampelte mit schweren, teuren Wanderschuhen durch die Wohnung und war Freshman, Student im ersten Jahr, Umweltschutz und Politologie, glaubt Paula sich zu erinnern.

 

Alle waren damals auf solchen Tripps. Suzanne und Paula erfanden u.a. den Feminismus, er war befreiend und die Antwort auf die Rätsel der Männerwelt.

 

„Halt!“, sagt Paula.“Wir waren zu fünft. Ich hab Trämp vergessen.“ Trämp war ein junger Schäferhundmischling, den John adoptiert hatte. Was dieser Hund für Winde ließ. „Trämp, don’t you fart!“, rief John oft.

 

 

 

Suzanne hatte eines Abends eine große Tüte Hühnermägen mitgebracht, die kosteten fast nichts. Ihre polnische Einwanderer-Großmutter hatte damit Chissels with Rice and Cheese-Sauce gemacht. Das war Suzannes „Oma-Essen“, so wie Apfelstrudel das von Paula war.

 

Während die Mägen in der ölfarbengrün gestrichenen Küche weich kochten (sie brauchten Stunden), spielten Paula, John und Suzanne „Shoot the Moon“. Kartenspiele kapierte Paula instinktiv, wenn sie nicht über die Regeln nachdachte, gewann sie auch. Anfangs jedenfalls.

 

Arthur musste Suzanne ablösen, obwohl er Shoot the Moon für unter seiner Würde hielt. Suzanne putzte die Hühnermägen, sodass nur das schiere, feste Fleisch übrig blieb. Trämp bekam den Abfall. (Don‘t you fart! Get out of here!) Das Fleisch wurde dann in Scheibchen geschnitten und in einer Käsesauce versenkt. Die wiederum über einen riesigen Reisberg gegossen wurde.

 

„Oh, wie hat es uns geschmeckt“, erinnert sich Paula. „Das Essen war heiß und gut und viel, und wir waren zusammen und hatten es warm und lustig miteinander.“

 

„Das haben wir auch gleich“, sagt die Küchenfee und teilt schon mal den Reis aus.

 

 

 

Rezept

 

 

Paula kauft Truthahnmägen, die rentieren sich besser beim Putzen. Für sich und eine mäßige Esserin wie die Küchenfee, braucht sie etwas 4 Stück. Sie kocht sie mit Suppengrün und ein paar Pfefferkörnern weich. Im Dampfkochtopf ist das gleich erledigt. Wenn die harte Haut entfernt ist, kann man das schiere Fleisch blättrig schneiden und beiseite stellen. Die Brühe abseihen.

 

Jetzt kommt die Käsesauce. Dazu schneidet Paula eine kleinere halbe Zwiebel fein, dünstet sie in nussgroß Fett glasig, fügt 2 EL Mehl dazu und rührt um, bis es goldgelb geröstet ist. Dann wird’s spannend: Von der Brühe gießt sie zuerst 1 kleinen Schöpfer in den Topf. Das zischt gehörig und das Mehl will sofort klumpen. Aber Paula rührt es mit dem Schneebesen gnadenlos glatt. Sie wiederholt den Vorgang, jetzt mit Milch, oft, bis eine cremige Sauce entsteht. Dahinein rührt sie jetzt eine Hand voll geriebenen Käse. Suzanne hat den roten Chester genommen, hier tut’s auch ein würziger, mittelalter Gouda. Zum Schluss mit Salz und Pfeffer abschmecken und die Fleischscheibchen untermischen und wieder sanft erwärmen. Ein Schuss Sahne und ein untergerührtes Eigelb (nicht mehr kochen) machen sich auch gut.

 

 

 

Fast jeder Mensch hat eine eigene Methode, Reis zu kochen. Paula erhitzt zuerst 1 kleinen Schuss Öl im Topf, darin rührt sie 1 Tasse Reis (Basmati) so lange um, bis alle Körner überzogen sind und es zu knistern beginnt. Sie löscht mit 2 Tassen Wasser ab, lässt aufkochen und reduziert dann die Hitze. Bei geschlossenem Deckel soll der Reis mehr quellen als kochen. Und zum Schluss ausdampfen lassen.

 

Ein Salat passt gut dazu. 

 

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