Er langt nie ganz, der Kartoffelschmarrn

 

 

„Paula“, sagt die Küchenfee, „ich seh‘s dir an, du steckst heut wieder tief in der Vergangenheit.“

Paula stiert auf den Rauch einer heißen Kartoffel, die sie auf eine Gabel gespießt hat. „Hör mal“, sagt sie und zieht mit ihrem kleinen Küchenmesser langsam die Haut ab. Es raschelt wie Seidenpapier. „Hübsch, gell. So akkurat hat es nur meine Tant Resl gemacht. Sie war eine extrige, alte Jungfer. Das hat sie werden müssen.“

„Erzähl von ihr!“, sagt die Küchenfee.

„Nein“, sagt Paula. „Dazu hab ich jetzt keine Zeit. Zuerst müssen die Kartoffeln geschält und auf einer Raffel gerieben werden. Und mit Mehl so abgedingst.“

„Abgedingst?“

„Naja“, sagt Paula. „So abgebröselt. Schau halt her!“ Die geriebenen Kartoffeln liegen flächig verteilt auf der Arbeitsplatte. (Früher hatte jede Hausfrau ein Nudelbrett dafür.) Paula läßt mit dem Sieb Mehl wie Schnee über die Kartoffeln rieseln. Behutsam arbeitet sie es mit den Fingerspitzen ein, bröselt es ab. Nochmal Mehl. „Soviel die Kartoffeln annehmen.“ Die Küchenfee nickt. „Und dann in der Pfann ganz langsam rausbacken.“

Pling! Die Fee will es blitzschnell erfüllen. 

„Nein“, schreit Paula, „nicht! So ein Kartoffelschmarrn braucht Zeit. Bei der Tant Resl hat es den ganzen Vormittag gedauert, bis er fertig war.“

„So ein Schmarrn“, meint die Küchenfee.

„Pass auf!“, droht Paula. „Sonst. Sonst darfst du nicht mitessen.“

„Erzähl von deiner Tante“, bittet die Küchenfee lächelnd.

„Sie war ja gar nicht meine Tante“, erklärt Paula, „sondern meine Großtante Therese, die jüngste Schwester vom Opa. Alle nannten sie Resl. Und sie war nicht zum Heiraten gedacht, sondern zur Hilfe und Pflege ihrer alten Eltern. Ihre Mutter, unser aller Ana-Rana-Stammmutter, ließ sie abends nicht weg, nicht mal ins Kino. Die Resl hatte ihr Bett in dem kleinen Schlafzimmer ihrer Eltern stehen und musste dort schlafen. Da hat sich mal jemand zum Fragen getraut, warum. Ja, was glaubst denn du, hat die Stammmutter gesagt: Solang d‘Glocken läuten, ist d‘Kirch net aus.“

„Wie bitte?“, fragt die Küchenfee. „Ach so. Also, wirklich. Dein Urgroßvater, so einer.“

„Der alte Bock“, sagt Paula und stirrt mit der Backschaufel in den Schmarrn, dass es klirrt.

„Na, na, na“, meint die Küchenfee.

„Mich hat er mal einen geselchten Affen genannt“, grollt Paula, „weil ich ihm ins ungemähte Gras gestiegen bin. Zum Blumenpflücken. Wie dann die Mutter gestorben war, hat die Resl den Alten versorgt und hin und wieder einen Kartoffelschmarrn gemacht, auf dem gemauerten Herd in der Küch. Die Pfann ganz am Rand und auf dem Weg vom Bettenmachen zur Holzleg immer mal wieder gestirrt und gewendet. Ganz langsam ist Kartoffelschmarrn knusprig geworden.“

„Und dann?“, fragt die Küchenfee.

„Dann haben sie gestöckelte Milch dazu gelöffelt. Bei der Oma hat es ein Apfelmus gegeben. Bei meiner Mutter auch mal ein Sauerkraut.“

„Kochen, Haushalten und Eltern pflegen“, sagt die Küchenfee nachdenklich. „Das war das Leben deiner Großtante.“

„Nein, nicht nur“, sagt Paula. „Sie hat auch einen Luxus gehabt. Das war der Kirchenchor. Sie sang Sopran und öfters ein Solo. Wenn die Krönungmesse von Mozart mit Pauken und Trompeten und ihrer Stimme vom Chor der Stadtpfarrkirche geschalt ist, hat es mir als Kind die Rückenhärchen aufgestellt. Und wenn die Tant Resl nacher noch mit den Chorleuten vor der Kirch geratscht und gelacht hat, dann hat sie was Eigenes gehabt, direkt was Fremdes.“ Nachdenklich dreht Paula dreht den Kartoffelschmarrn um. „Da war es mir fast lieber“, sagt sie, „wenn sie gesagt hat: Schau, dass’d weiter kommst, wie ich zum Schmarrnbetteln gekommen bin. Und mir keinen gegeben hat, weil er sonst nicht gelangt hätt. Ja, so eine war sie.“

Und dann ziehen sich Paula und die Küchenfee genüßlich den fertigen Schmarrn rein, abwechselnd mit einem Löffel Apfelmus, selber gemacht, und fast hätte es wieder nicht gereicht. Und wenn doch, nach dem zweiten Aufrösten langt er gewiss nicht. Und genau das ist das Gute am Kartoffelschmarrn.

 

 

Kartoffelschmarrn

 

Paula dämpft ca. 2 Pfund Kartoffeln, schält und reibt sie – durchpressen geht auch – und lässt sie ausgebreitet abkühlen. Salzt und gibt soviel Mehl daran wie sie annehmen. Bäckt mit Butterschmalz ganz langsam in der Pfanne, stirrt und wendet, bis es knusprige große und kleine Brösel werden. Gibt auch immer wieder mal ein bisschen Butter dazu.

 

Apfelmus

 

 

Paula achtelt 4 bis 5 Äpfel von der mürben Sorte wie Jacobi oder Klaräpfel, und kocht sie samt Schale, Spelzen und Kernen mit Zucker, 1 Messerspitze Zimt und etwas Zitronenschale weich. Passiert das Mus und lässt es lauwarm werden.

 

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