Nudelteig

 

 

„Gelernt ist gelernt“, sagt Paula bescheiden. Die Küchenfee hat sie heute gefragt, woher sie so gut kochen kann. Sie hat Kochen in der Schule gehabt, erklärt Paula. Kochen und Handarbeiten habe ein Mädchen gebraucht, um seine natürliche Bestimmungen erfüllen zu können.

„Natürliche Bestimmungen?“, wiederholt die Küchenfee fragend.

„Die zur Haus- und Ehefrau“, sagt Paula. “Und zur Mutter. Ich hab sie leider alle verfehlt. Dafür hab ich auch nie jahrzehntelang für andere Personen eingekauft, dreimal täglich gekocht, gespült, ihre Kleidung gewaschen, gebügelt und ihren Dreck weggeputzt.“

„So wie deine Mutter“, sagt die Fee.

„So wie meine Mutter“, bestätigt Paula. „Und meine Großmutter und Urgroßmutter. Etc. p.p.“

Es quarrt aus dem Backofen. „Apropos Ecetera Päpä“, sagt die Küchenfee, „so heißt meine Großmutter. Du hast sie gerufen.“  Sie holt eine dicke Kröte mit goldenen Augen aus dem Backofen. 

„Eine tierische Verwandtschaft“, sagt Paula überrascht. Sie hat ein Faible für Großmütter und graust sich auch nicht vor Kröten. Frau Ecetera Päpä darf aufs Kochbuchregal, da hat sie eine Übersicht. Die Kröte ruckelt sich zurecht und fragt: „Kochen lernen ist schön und gut. Aber wie war das mit dem Handarbeiten?“

„Ungut.“ Paula erinnert sich an den Handarbeitssaal und an schmuddelweißes Gminder Linnen. Messen, Schneiden, Stecken, Heften, Nähen und zum Schluss den Saum besticken, dann war die Küchenschürze fertig.

„Brav!“, quakt die Kröte. „Langes Fädchen, braves Mädchen.“

Die Küchenfee hat inzwischen Paulas kleines, schwarzes Schulkochheft gefunden, blättert darin und liest laut vor: 

 

Nudelteig-Rezept

 

Auf 100 g Mehl kommt 1 Ei oder 1/2 Ei und 1/2 Eischale Wasser und eine Prise Salz. Zubereitung: Mehl aufs Brett geben, kleine Grube machen, darin Ei verrühren, alles zu einem mittelfesten Teig verarbeiten und so lange kneten, bis er beim Durchschneiden wellige Zeichnungen hat und vollkommen glatt ist.

 

Zauberhaft schnell hat die Fee alles so gemacht, aber jetzt protestiert sie: „Das geht doch gar nicht mit so wenig Flüssigkeit. Das ist ja sadistisch.“

Paula lächelt böse. „Ja“, sagt sie. „Jetzt stell dir vor, ich hätte eine krause Dauerwelle, knöcherne, rotgefrorene Finger und Magenwehfalten zwischen Nase und Mund.“ Sie knetet den Teig verbissen zusammen, schneidet ihn durch und zeigt auf die Wellen: „Da schau her!“

Die Küchenfee fühlt sich gedemütigt.

„Entschuldige“, sagt Paula, „aber so war unsere Hauswirtschaftslehrerin in den 50ern.“

Frau Ecetera Päpä ist schadenfroh. Sie fällt vor Lachen fast vom Regal. Als sie wieder sprechen kann, sagt sie: „Zu meiner Zeit gab es keinen Nudelteig. Wir haben Brei gegessen. Mehlbapp mit Spelzen, gekocht auf dem Dreibein am offenen Feuer, dass dir der Ruß in die Augen geflogen ist.“

„Ja, ja, Oma“, sagt die Küchenfee geduldig.

Paula wickelt den Teig in Silberfolie zum Rasten. Die Küchenfee darf ihn später auswalken. Sie ächzt, weil das so zäh geht. Immer wieder zieht sich der Teig zusammen.

„Lass mich mal!“ Paula hat einen blauen Schaber angezogen (Schürzen verachtet sie seit der aus Gminder Linnen) und klemmt den Teigrand zwischen Bauch und Tischkante, dann drischt sie wie ihre Oma mit dem Nudelholz auf den dicken Fladen ein, dass die Küche wackelt, von der Mitte nach außen, bis er langsam eine runde, dünne Platte wird.

Die Küchenfee liest wieder vor: „Auf wenig bemehltem Brett dünne Flecke ausrollen, antrocknen lassen, die Flecke in 4 Teile schneiden, Schnittkanten aufeinanderlegen, zusammenrollen, auf dem Schneidebrett die Suppennudeln so fein als möglich schneiden. Teigwaren unter Rühren in die kochende Brühe streuen. Selbstgemachte, gut getrocknete Teigwaren zehn Minuten kochen lassen. - Merci, Mausi“, sagt die Küchenfee.

„Da war noch nichts von al dente bekannt“, grinst Paula und deckt den Tisch für drei.

„Mahlzeit, Oma!“, sagt die Küchenfee.

Paula sieht zu, wie sich die Kröte vergnügt die weichen Nudeln reinzieht.

„Da fällt mir etwas ein“, sagt Frau Ecetera Päpä: „Das reichste Mahl ist freudenleer, wenn nicht des Wirtes Zuspruch und Geschäftigkeit den Gästen zeigt, dass sie willkommen sind. Satt essen kann sich jeglicher zu Hause; geselliges Vergnügen, munteres Gespräch muss einem Festmahl Würze geben.“

Paula ist baff. Dann bemerkt sie, dass die Kröte auf ihrem schwarzen Schulkochheft hockt und sich wohl per Osmose den Eintrag der Hauswirtschaftslehrerin, einen Spruch von Schiller, reingezogen hat. Nicht nur alle Nudeln.

 

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