Biografische Einführung Lisa Tetzners

 

 

Ich lernte Lisa Tetzner in den 50er Jahren als Schweizer Herausgeberin von: „Die schönsten Märchen der Welt für 365 und einen Tag“. Das Buch hat mir meine Mutter geschenkt, und es war prägend für mich. Heute frage ich mich: wie kann eine Kinderbuchautorin und Märchenerzählerin „verbrannt“ werden? Sind Kinderbuchschreiben und Märchenerzählen nicht eigentlich harmlos? 

 

Lisa Tetzner wurde am 10. November 1894 in Zittau in einem gutbürgerlichem Haus geboren. Mit 9 bekam sie eine Kniegelenksentzündung, die sie drei Jahre ins Bett zwang. Das blieb ihr ein Leben lang: hinken müssen und Schmerzen haben. Trotzdem wanderte/hatschte sie mit 19 durch Thüringen. Sie hatte u.a. eine Sprechtechnik-Ausbildung absolviert und erzählte nun unter Dorflinden den Kindern ihre Märchen. Eine Tages lerne Lisa den Martin kennen, Martin Kläber alias Martin Held, einen roten Wandervogel der sozial-aufklärerischen Art. Von ihm stammt übrigens „Die rote Zora“. 

Zitat: „Tetzner, Tetzner? Der Name kommt uns so bekannt vor. Richtig, das ist ja die berüchtigte Tetzner vom Systemrundfunk, bekannt durch ihre Kinderstunden, (sie war seit 1927 Leiterin des Berliner Kinderfunks), seit langem verheiratet mit Kurt Kläber, einer bolschewistischen Schriftstellergröße, der jahrelang im Karl-Liebknecht-Haus residierte und zeitweilig mehr in Moskau als in Berlin war...“

So hört sich die Gehässigkeit der Nazis an. Lisa und ihr höchst gefährdeter Mann flüchteten 1933, ihre eigenen Möbel gaben das nötige Feuerholz ab, um ihre Bücher zu verbrennen.  

 

Zitat: „Heute lebt das edle Paar natürlich in der Schweiz, in Carona bei Lugano.“

Lisa und Kurt hatten im Jahr ihrer Hochzeit 1924 ein Häuschen im Tessin erworben, damit sich Lisa in den Sommermonaten erholen konnte. Jetzt wurde es ihre Fluchtburg. Lisa bekam keine Tantiemen mehr, keine neuen Aufträge und sie fretteten sich anfangs durch wie so viele, die ins Ausland geflohen waren.

 

O-Ton Lisa Tetzner: „Ich hätte viel lieber bei den Abenteuern des Herzens und in den inneren Welten verweilt, als der Jugend die Unzulänglichkeiten der äußeren Welt gezeigt.“ Das schrieb sie zu „Die Kindern aus Nr. 67“, ihrer bekanntesten Serie, aus der ich Ihnen jetzt ein paar Zeilen vorlesen möchte: 

Es geht darum, ein Mädchen, Mirjam Sabrowsky aufzunehmen. Willi ist dagegen. Er geht zu der neu gegründeten Hitlerjugend. 

Bubensachen ... schließlich durften die Mädchen doch mitmachen. –

 

Übrigens, Astrid Lindgreen bewunderte und verehrte Lisa Tetzner. Die wiederum förderte Pippi Langstrumpf, deren Rezeption im Deutschland der 50er nur zäh und zögernd anlief.

 

Astrid Lindgren hat ihren Kindern alle Bücher von Lisa Tetzner vorgelesen: "Wir haben uns zusammen so innig darüber gefreut" schreibt sie in einem Brief an die Schriftstellerkollegin "Sie müssen doch wissen, dass Sie seit Jahren für mich eine Idealgestalt sind."

Die bekanntesten Titel Lisa Tetzners sind:

Hans Urian oder Die Geschichte einer Weltreise von 1929,

Was am See geschah, 1935,

Die schwarzen Brüder, 1940/41 und eben

Die Kinder aus Nr. 67, neun Bände von 1933 bis 49.

 

Nachhaltiger aber, denke ich, ist ihre Sammel- und Herausgebertätigkeit der Märchen aus aller Welt von 1948 bis 58 und zwar dänische, englische, französische sizilianische und russische Märchen. Es folgten Märchen der Schwarzen, indianische, japanische, türkischen und indische Märchen. Sie stellte Vom Märchenbaum der Welt, bei Sauerländer, Die schwarze Nuss bei Diederichs und Das Märchenjahr bei Kösel zusammen. 

Zitat: „Neben ihrer spezifischen Auffassung vom Märchen als von einer gesprochenen Dichtungsform ist dies wohl die bleibende Leistung Lisa Tetzners: sie eröffnete der deutschen Literatur, zu der in erster Linie auf das deutsche Märchen ausgerichteten Sammlung der Begründer Grimm, den Weg zum Märchen anderer, auch fernster Völker.“ So sah man das 1950.

Mit dieser Deutung des Märchens bekennt sich Lisa Tetzner zur Verbundenheit aller Menschen dieser Erde.

 

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