Eine tierische Familie

 

Herr König macht mit Frau König Luxusurlaub auf einer Ferieninsel. Aber er hat keine Ahnung, dass seine Tochter Carlina nicht zu Hause geblieben, sondern mit ihrer neuen Kinderfrau Lucy Ling ebenfalls auf der Insel gelandet ist. Und zwar mit dem fliegenden Eissalon von Lärry Löffelstiel.

Herr König legt die neuen Batterien in seinen Laptop und will sich die Börsenkurse ansehen. Es klopft. „Kann man denn nie seine Ruhe haben?“, stöhnt er. „Herein!“

Lucy Ling tritt ein. Aber holla, denkt er, sehr hübsch, die Kleine in ihrem roten Seidenkleid mit den weißen Chrysanthemen.

Lucy Ling blickt Herrn König aus schrägen Katzenaugen an. „Sir. Darf ich Ihnen einen Cocktail servieren?“ Grüne Wirbel tanzen in einem Glas um eine cremefarbene Eiskugel.

Ja, das ist wieder eine Kugel Metamorfosa-Eis, das Lärry Löffelstiel erfunden hat, und mit dem man jeden Menschen verwandeln kann.

 

„Was für ein Tier soll Papa werden?“, hatte Carlina Katze gefragt, als sie sich zu dritt beraten hatten. Und zwar im Eissalon, der im dichten Gebüsch hinter der Bungalow versteckt ist.

Lucy Ling lächelte. „Das werden wir schon sehen.“

 

Jetzt schiebt sie Herrn König denVerwandlungs-Cocktail näher. Aber er beachtet ihn gar nicht. „Ich muss mich um den Dax kümmern“, sagt er. „Das ist der deutsche Aktienindex, Schätzchen.“ Er loggt sich an der Börse ein. „Gott“, ächzt er, „eine Katastrophe! Der Dax ist gefallen, total abgestürzt. Ich muss sofort meine Aktien los werden.“ Er greift blindlings nach dem Glas. Das Eis ist inzwischen geschmolzen. Mit einem Schluck stürzt Herr König den Cocktail hinunter. „Brrob, (Rülpser) lecker“, knurrt er und schnüffelt mit einer langen Schnauze. „Gibt’s noch mehr?“ Herr König bekommt ein braunes Fell, vier kurze Beine und einen kleinen Schwanz.

„Ein Dachs“, kichert Lucy Ling. „Ein philippinischer Stinkdachs.“

 

Die anderen haben alles von der Terrasse aus beobachtet.

„Geschieht ihm recht“, piepst Mama Maus, die oben in Lärrys Löffelstiels Schiffchenmütze sitzt und den Überblick hat.

Carlina Katze will mit ihrem Papa, den Dachs, spielen. Sie hopst mit schrägen Bocksprüngen auf ihn zu. Aber der Dachs wird furchtbar wütend, weil er seine Aktien nicht mehr verkaufen kann und ihm auch niemand hilft, neue Schnäppchen zu machen. Er dreht sich um und hebt sein Schwänzchen wie ein Skunk..

„Vorsicht!“, schreit Lucy Ling. „Schnell weg!“

Carlina springt aus dem Stand einen Meter rückwärts, Lärry ist schon um die Ecke. Niemand kriegt was ab, nur der Dachs. Weil er sich gegen den Wind gestellt hat. Und nun fürchterlich stinkt. Den anderen, sich selbst kann er schon riechen. „Weiß gar nicht, was die haben“, grollt Herr König und verdrückt sich nach Art der Dachse im Gebüsch. Er schnüffelt herum und findet zwar keine Aktien, aber Würmchen und Schnecken. Er schmatzt und grunzt und mag es plötzlich gar nicht, so alleine zu sein. Aber jedes Mal, wenn er auf die anderen trifft, laufen sie davon. Weil er so stinkt.

 

Carlina hat Mitleid. Sie fragt Lucy Ling, ob ihr Papa wieder Mensch werden kann.

„Kommt darauf an“, meint Lucy. Sie macht gerade ein tragbares Nest für das Mäuschen, Frau König. Sie kann nicht ewig in Lärrys Schiffchenmütze sitzen. Sie möchte auch wieder Mensch werden. Sie hat so hübsche Kleider. „Wär doch schade um den schicken Fummel“, piepst sie. „Habt ihr kein Rückverwandlungs-Eis?“

„Sorry, Madam“, sagt Lärry Löffelstiel. „So einfach geht das nicht. Sie müssen sich schon verändern.“

„Tu ich, tu ich“, sagt die Maus. „Ich will Carlinchen verwöhnen und ihr süße Klamotten kaufen und so.“

„NEIN“, rufen Lucy und Lärry. „Sie hat nix kapiert, die dumme Maus.“

„Sie hat so ein kleines Hirn“, meint Carlina. „Macht Mami wieder groß, bitte. Wie einen Menschen.“

„Und du?“, fragt Lärry Löffelstiel. „Magst du nicht auch wieder groß werden und ein Mensch?“

Carlina weiß nicht recht. Verlegen putzt sie ihren Katzenschwanz. Aber der versteckt sich. Carlina jagt ihm hinterher, sie dreht sich wie ein Kreisel.

„Na, gut“, sagt Lärry.

„Aber deine Eltern brauchen dich“, erklärt Lucy ernst. „Du musst dich um sie kümmern, sie füttern. Natürlich nicht zuviel! Du solltest Zeit für sie haben, sie auch mal streicheln und mit ihnen reden.“

Aber Carlina will noch ein bisschen Katze bleiben. Solange, wie sie brauchen, um nach Hause zu fahren. Lucy Ling ist einverstanden. Lärry Löffelstiel startet den fliegenden Eissalon. Beihnahe hätten sie den Dachs vergessen. Herr König wird außen am Wohnwagen wie ein Fahrrad festgebunden, da kann er gut auslüften. Whomm! Das Superpower-Aggregat wummert. Die Energie der Eiskristalle hebt den Wohnwagen in die Luft. Sie fliegen wie ein Satelit um die Welt. Und landen am andern Tag im Garten der Villa König.

 

Der Dachs ist steif, aber sein fieses Parfüm ist verflogen. Er wackelt sofort in sein Arbeitszimmer und blickt sehnsüchtig zum Schreibtisch, auf dem sein Computer steht. Nix geht. Traurig trottet er ins Frühstückszimmer.

Lärry hat Kaffee gekocht und frisches Gebäck besorgt. Frau König sitzt auf dem Tisch, vor sich ein Schokohörnchen. „Willst du was abhaben?“, fragt sie den Dachs liebevoll.

„Gerne“, sagt Herr König. „Dein graues Fellschen steht dir übrigens hervorragend.“

Das hat Lucy Ling mitgekriegt. Sie zwinkert mit ihren schrägen Katzenaugen und – pling – wird der philippinische Stinkdachs wieder zu einem Menschen. Sie beherrscht nämlich die Animal-Metamorphosen-Rückführung.

Carlina Katze freut sich ja so. Sie springt ihrem Papa auf die Schulter, schnüffelt an seinem Ohr und zaust ihm die Haare. „Das kitzelt“, lacht Herr König. Jetzt will er mit Carlina spielen. Schnell formt er das Innere seines Frühstückbrötchens zu einem kleinen Ball und wirft ihn weit weg. „Fang, Carlina!“ Sie saust ihm nach, rollt es hin und her, bis das Bällchen unter einen Schrank entwischt. Er steht so niedrig, Carlina kommt einfach nicht ran.

„Warte!“, piepst Mama Maus. Sie schafft es und holft das Bällchen wieder hervor. Dann spielen alle drei damit.

Pling. Wieder hat Lucy Ling gezwinkert. Frau König hat sich zurückverwandelt und will sich sofort umziehen. Aber plötzlich hällt sie inne. „Nein, du zuerst, Carlina“, sagt sie. „Du brauchst dringend ein Bad.“

 „Ja, Mamá“, sagt Carlina, obwohl eine Katze kein Bad braucht. Pling. Sie spürt, wie ihre rauhe Katzenzunge weich wird und die spitzen Zähne verschwinden. Wie sich ihr Körper streckt und reckt und die Tatzen wieder Hände werden. Damit fasst sie Lucy Ling bei deren Händen und tanzt mit ihr durchs Frühstückszimmer. Ja, es ist doch schön, ein Menschenmädchen zu sein.

 

Lucy Ling verabschiedet sich von Familie König. „Ihr braucht mich jetzt nicht mehr“, sagt sie. Der Abschied ist schwer. Carlina denkt oft an Lucy Ling. 

Und später, immer, wenn Herr König sagen will, er hat keine Zeit und muss arbeiten, fängt er an zu riechen. Dann sagt Frau König: „Ich fürchte Schatz, du dachselst.“ Und immer wenn sie Carlina so schnell abküsst, weil sie zum Shoppen will, fängt sie an zu piepsen. Dann lachen alle und sagen: „Aber holla, beinahe hätten wir wieder die alten Fehler gemacht.“

Carlinchen lacht am meisten und miaut laut als wäre sie eine Katze.

 

 

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