Sieben Geschichten aus Tante Theas wunderbarer Tierpension 

 

1. Mimmis Ankunft

 

Tante Thea hat eine Tierpension. Dort verbringen Hunde, Katzen, Vögel und andere Tiere die Ferien, wenn ihre Menschen verreisen und sie nicht mitnehmen können. Zausel und Mimmi wohnen bei Tante Thea. Zausel ist ein Zwergdackel und Mimmi eine Katze.

Zausel wurde mal in den Sommerferien gebracht und danach nicht mehr abgeholt. Seitdem gehört er zu Tante Thea. Genau wie Mimmi. Sie ist eine ganz normale, graubraun gestreifte Katze und kam eines Tages einfach daher spaziert.

Zuerst wollte Zausel sie vertreiben. „Was willst du?“, kläffte er. „Hau ab! Du hast hier nichts verloren.“

„Vielleicht doch“, maunzte Mimmi und machte sich gleich auf die Suche. Sie sprang die Treppe hinauf bis zum Speicher. Unter dem Dach waren die Vögel untergebracht. Sie hüpften und flatterten hinter einem Netz herum, piepsten, pickten, zwitscherten und tschilpten. Mimmi starrte sie fasziniert an.

Da kam Zausel angekeucht. „Ich warne dich“, knurrte er. „Denen darfst du nichts tun.“

„Ich doch nicht“, meinte Mimmi. „Vögel interessieren mich überhaupt nicht.“ Aber dabei schlug ihr Schwanz so aufgeregt hin und her, dass sie ihn mit der Pfote ruhig halten musste. Als er jedoch entwischte, wollte Mimmi ihn fangen und drehte sich wie verrückt im Kreis herum. Zausel lachte Tränen. Da wurde Mimmi fürchterlich verlegen. „Miau. Zeigst du mir, was es noch in diesem Haus gibt?“

Das tat Zausel. Im Wohnzimmer wohnten drei große Hunde. Jeder lag in seinem eigenen Korb und nagte an einem Kauknochen, aber alle glotzten zur Decke. Dort hing in Fernseher und zeigte einen Trickfilm. Gerade jagte ein Hund eine Katze über den Bildschirm. Die großen Hunde bellten aufgeregt: „Fass! Fass sie! Schnell!“

Mimmi machte einen Buckel, ihr Fell sträubte sich. „Solche Kerle kann ich nicht leiden“, fauchte sie.

„Ich auch nicht“, flüsterte Zausel. „Sie sagen immer Kleiner zu mir.“

Schnell rannten sie die Treppe zum Erdgeschoss hinunter. Zausel Krallen klickten auf den Fließen im Flur. Kaum kriegte er die Kurve in die Küche. Mimmi sauste mit erhobenem Schwanz rasch hinterher.

„Hallo, Zausel“, sagte Tante Thea. „Wen hast du denn da mitgebracht?“

„Mimmi“, bellte Zausel. „Sie sucht was bei uns.“

„Vielleicht ein wenig Futter?“, überlegte Tante Thea.

„Könnte sein“, murmelte Mimmi und schnupperte an einem blauen Napf.

„He, das ist meiner“, knurrte Zausel.

Tante Thea stellte Mimmi einen roten Napf vor die Nase. Der war gefüllt mit köstlichen Knusperstückchen.

„Hau rein!“, sagte Zausel großzügig. Er mochte kein Trockenfutter.

Mimmi verschlang ein Bröckchen nach dem anderen und leckte sich danach genüßlich den Mund. Dann sprang sie mit einen Satz auf den Küchenschrank und putzte sich.

„War’s das?“, fragte Zausel. „Hast du bei uns Futter gesucht, Mimmi?“

Mimmi gab keine Antwort. Sie gähnte Zausel ins Gesicht und schloss die Augen. Zausel bellte ungeduldig zu ihr hinauf.

„Still, Zausel!“, lächelte Tante Thea. „Katzen wollen in Ruhe gelassen werden, wenn ihnen danach ist. Nicht wahr, Mimmi?“

Mimmi öffnet ein Auge und blinzelte Tante Thea an. Dann schloss sie es wieder und schnurrte.

 

 

2. Laura Leguan

 

Einmal klingelt es mitten in der Nacht und ein großes Paket steht vor der Tür. Mit einem Zettel dran.

„Bitte, seid gut zu Laura!“, liest Tante Thea und runzelt die Stirn. „Wir holen sie in drei Wochen wieder ab.“

Zausel schnuppert am Paket und knurrt: „Es riecht nach Drache.“

Mimmi kann es kaum erwarten, bis Tante Thea das Paket auspackt. Dabei kommt ein Glaskäfig mit Erde und Pflanzen zum Vorschein. Und eine kleine grüne Echse, die sich an einen Ast klammert.

„Ein Leguan“, erklärt Tante Thea. „Leguane kommen aus Südamerika und – Mimmi, lass Laura in Ruhe!“

Mimmi maunzt verdrießlich und zieht ihre Pfote wieder aus dem Käfig. Sie wollte ja nur wissen, wie sich ein so ein Leguan anfühlt.

Am Morgen gibt es Frühstück für alle. Danach geht Zausel seinen Geschäften nach, und Mimmi macht ein Schläfchen. Als mittags die Sonne hoch am Himmel steht, gucken Mimmi und Zausel wieder mal in den Glaskäfig.

„Weg“, bellt Zausel. „Laura ist weg!“ Aber der Zwergdackel nimmt sofort ihre Spur auf. Im Zickzack geht es durch die Küche und in den Garten. Bis ganz nach hinten, wo der Brunnen ist und daneben der Apfelbaum steht. „Da oben“, kläfft Zausel aufgeregt. „Da oben muss Laura sein.“

Mimmi nimmt einen Anlauf und klettert hinauf. Es ist gar nicht so leicht, einen kleinen grünen Leguan zwischen all den Blättern zu finden, aber Mimmi schafft es. „Da bist du ja“, schnurrt sie und setzt sich daneben.

„Nicht so nah“, lispelt Laura. (Bitte lispelnd sprechen.) „Sonst passiert was.“

„Was denn?“ will Mimmi wissen. Wie nebenbei tappst sie auf Lauras Rückenkamm. „Ganz schön stachelig. Bist du wirklich ein Drache?“

„Ich bin die wilde Laura“, zischt der kleine grüne Leguan, „Aus der Familie Iguana Iguana.“

„Hochinteressant“, meint Mimmi und betrachtet Lauras Kehlsack. „Kannst du den da aufblasen?“

„Ja.“ Laura richtet sich auf. „Ich warne dich. Gleich passiert was.“

Aber Mimmi nimmt die Kleine nicht ernst. „Was denn?“, fragt sie und angelt nach dem grünen Schwanz.

Aber plötzlich trifft sie damit ein Schlag, dass sie das Gleichgewicht verliert und vor Überraschung vergisst, sich fest zu krallen. Miauuu! – Platsch! Da ist Mimmi in den Brunnen geplumpst, der unter dem Apfelbaum steht.

„Wie damals am Amazonas“, kichert die wilde Laura. „Da haben wir Kleinen die Großen auch immer ins Wasser geschubst.“

Zausel schaut höflich zu Seite, als Mimmi aus dem Brunnen klettert, denn eine nasse Katze ist ein erbärmlicher Anblick.

Später, als Mimmi wieder trocken ist, setzt sich Tante Thea in den Liegestuhl. Mimmi macht es sich auf ihrem Schoß gemütlich. Tante Thea blinzelt in den Apfelbaum und enteckt den kleinen Leguan. „Lass es dir schmecken“, sagt sie und deutet auf den Garten.

Da wieselt die wilde Laura wie der Blitz den Stamm hinunter und verschlingt Tante Theas Salat und nascht noch Klee und Löwenzahn.

Tante Thea freut sich, dass Laura einen guten Appetit hat.

Aber Mimmi tut in Zukunft so, als gäbe es keinen Leguan in Tante Theas Tierpension.

 

 

 

3. Leo Löwenhase

 

Heute herrscht schlechte Laune in Tante Theas Tierpension. Alle hängen rum, keiner kann raus, es regnet seit drei Tagen.

Zausel und Mimmi kauern in der Küche auf dem Fensterbrett und starren hinaus. Draußen ist alles grau, nass und kalt.

„Bescheuert“, schnieft Zausel. Er ist Tante Theas persönlicher Zwergdackel.

„Und laaangeweilig“, gähnt Mimmi. Sie ist ihre Katze. Alle anderen Tiere gehören Menschen, die gerade in Urlaub sind.

Tante Thea hat keine Zeit für schlechte Laune, sie putzt die Käfige, gibt frische Streu hinein, füllt frisches Wasser nach und Futter. Aber dabei entwischt jemand aus seinem Käfig, ohne dass Tante Thea es merkt. Dieser jemand ist klein, hat braune, flauschige Haare und zwei lange Ohren. Er flitzt durchs Haus bis er in der Küche unter dem Tisch landet. Dort erstarrt er, nur sein Näschen schnuppert.

Zausel, oben auf dem Fensterbrett, schnüffelt. Aber weil er Schnupfen hat, riecht er nicht sofort, wer gekommen ist. „Ha-ha-ha-ha“, fängt er an.

„Tschi?“, maunzt Mimmi. „Es heißt Ha-tschi, wenn man niest.“

„Quatsch!“, schnieft Zausel. „Ich rieche einen Ha-ha-ha-Hasen. Hatschi!“

„Gesundheit“, sagt der Jemand unter dem Küchentisch.

Mimmi springt vor Überraschung mit allen vier Beinen gleichzeitig in die Luft. Beim Herunterkommen stößt sie an den Topf mit Tante Theas Petersilie. Er kippt um, kullert über den Rand des Fensterbretts und zerschellt am Boden.

„Hoppla“ sagt jemand, und dann: „Vielen Dank für das Grünzeug.“

Jetzt hält es Mimmi nicht mehr aus. Sie springt auf die Küchenbank und äugt unter den Tisch. Da sitzt ein braunes Häschen mit flauschigem Fell und mümmelt Petersilie.

„Eine Hase!“, staunt Mimmi.

Da springt auch Zausel herunter und bellt den Mümmler an. Aber der bleibt seelenruhig sitzen. „Warum fürchtest du dich nicht vor mir?“, fragt Zausel fassungslos. „Ich bin ein Hund.“

„Und ich ein Löwe“, sagt das Häschen. „Ich bin Leo Löwenhase.“

„Ach so“, japst Zausel.

Mimmi kichert.

„Ja“, sagt Leo. „Ich bin nur äußerlich ein Hase. Innerlich bin ich ein Löwe.“

Plötzlich kommt Tante Thea in die Küche. „Du lieber Himmel, wie sieht’s denn hier aus?“

Da flitzen alle, Zausel, Mimmi und Leo, wie der Blitz unter die Küchenbank und verstecken sich.

Tante Thea seufzt, nimmt den Besen und kehrt zusammen. Der Besen sieht mit seinen schwarzen Haaren wie ein Tier aus, das den Rest der Petersilie haben will.

„Auf ihn mit Gebrüll!“, schreit Leo Löwenhase und stürzt sich auf den Besen. „Ergib dich!“

Tante Thea ist so überrascht, dass sie mit dem Kehren aufhört.

Leo krallt sich in den Besen und beißt ihn. Jetzt kommt auch Zausel aus der Deckung und kläfft den Besen an. Mimmi springt auf einen Petersilienstängel und schleudert ihn in die Luft.

„So ein Zirkus!“, lacht Tante Thea.

„Jaaa“, brüllt Leo Löwenhase. „Wir wollen Zirkus spielen. Ich bin der Löwe.“

„Was sonst?“, kläfft Zausel. „Und ich bin der Direktor. Und du, Mimmi, du sollst der Clown sein.“

Und dann spielen sie Zirkus, und Tante Thea muss das Publikum sein.

Danach hört der Regen auf und die Sonne scheint wieder über Tante Theas Tierpension.

 

 

4. Eifersucht

 

Die Sonne scheint über Tante Theas Tierpension. Im Garten sonnen sich Zausel, der Zwergdackel und Mimmi, die Katze. Alle anderen Tiere sind nur zu Besuch hier, wenn ihre Menschen Urlaub machen. Zausel döst friedlich neben dem Oleanderbusch, und Mimmi läßt sich die Sonne auf den Bauch scheinen. Plötzlich zerreißt ein Schrei die Stille. Laut und gemein. 

Mimmi legt die Ohren an. „Au, miau.“

Zausel knurrt: „Der schon wieder. Schreit hier rum, als ob er zu Hause wäre, dabei ist er nur auf Besuch.“

Da kommt Tante Thea mit einen weißen Vogel auf der Hand. „Ist er nicht hübsch?“, fragt sie strahlend. „So einen wunderschönen Gelbhauben-Kakadu habe ich noch nie gesehen.“

Der Gelbhauben-Kakadu hat auf dem Kopf ein gelbes Federbüschel, das wie eine kleine Krone aussieht. Jetzt krächzt er: „Küsschen, gibt Koko ein Küsschen!“

Tante Thea ist entzückt. „Und sprechen kann er auch.“ Sie setzt Koko auf einen Oleanderast. Der Kakadu trippelt eifrig hin und her. „Küsschen“, kreischt er wieder. „Gib Koko ein Küsschen, Küsschen, Küsschen.“

 „Meint der mich?“, maunzt Mimmi.

„Halt den Schnabel“, knurrt Zausel.

„Seid nett zu unserem Gast“, sagt Tante Thea. „Ihr sollt ihm Gesellschaft leisten, damit er nicht so alleine ist. Ich kann mich doch auf euch verlassen, oder?“ Damit dreht sie sich um und geht ins Haus zurück.

„Kein Küsschen für Koko?“, fragt der Kakadu und blinkert sie boshaft aus seinen schwarzen Knopfaugen an.

„Was findet Tante Thea bloß an ihm?“, überlegt Zausel.

„Ob er fliegen kann?“, denkt Mimmi laut nach.

„Wegfliegen?“, grinst Zausel. „Sag mal, kannst du überhaupt fliegen?“

„Ich mag nicht“, kreischt Koko.

„Weil du es nicht kannst“, behauptet Zausel. „Wetten dass?“

Koko will nicht sagen, dass man ihm die Flügel gestutzt hat, deshalb schreit er: „Aber ihr, ihr könnt nicht mal richtig laut sein. Ihr seid so, so, so leise Duckmäuse.

„Duckmäuse?“, Mimmi streckt sich empört zu voller Länge.

„Leise?“, kläfft Zausel. „Ich kann noch lauter sein wie du, du, Kakaka-du!“ Und dann bellt er los, dass der Oleander wackelt. Mimmi schreit ihren lautesten Katzenschrei, und der ist so fürchterlich, dass die Blüten abfallen.

Koko schlägt vor Vergnügen mit den Flügeln und dann hebt er ab. Er schraubt er sich hoch und höher in den blauen Himmel hinauf. „Ich fliege“, kreischt er. „Ich kann wieder fliegen!“ Weil ihm inzwischen die Flügel nachgewachsen waren.

Da kommt Tante Thea angerannt und will wissen, warum so ein Höllenlärm war und wo Koko ist. Mimmi schaut seelenvoll zum Himmel hinauf. Da fliegt ein winziges, weißes Wölkchen.

Tante Thea erschrickt. „Koko, ruft sie, „komm runter!“

Aber Koko kann sie nicht hören. Und außerdem kennt er sich nicht mehr aus. Von oben sehen alle Hausdächer gleich aus und die Gärten auch.

„Er muss uns hören“, sagt Tante Thea verzweifelt. „Los, Zausel, bell, und du, Mimmi, schrei!“ Und dann brüllt sie selbst aus Leibeskräften: „KOOKOO!“

Das weiße Wölkchen dreht sich und segelt herunter.

„Gottseidank“, seufzt Tante Thea.

Als Koko auf ihrer Hand gelandet ist, sagt er ganz leise: „Hallo, hier bin ich.“

Da sind sogar Zausel und Mimmi froh. Aber wirklich froh sind sie erst, als Koko wieder weg ist. Er wird nach einer Woche aus Tante Theas Tierpension wieder abgeholt.

 

 

5. Post für Emil

 

Seit ein paar Tagen ist ein Tier da, das Zausel und Mimmi noch nie gesehen haben: Es hat vier Beine mit kleinen, harten Hufen, ein graues, struppiges Fell, einen Quastenschwanz, eine weiße Nase und lustige, lange Wackelohren. Es ist ein ... Esel, ganz genau. Er heißt Emil und wohnt im Garten im Geräteschuppen. Da hat ihm Tante Thea einen Platz frei geräumt. Er steht auf der kleinen Wiese neben dem Schuppen und läßt den Kopf hängen.

„Guten Morgen, Emil!“, miaut Mimmi.

„Schau mal, was ich dir mitgebracht habe“, kläfft Zausel. Er hat Tante Thea eine Karotte stibitzt und läßt sie unter Emil Esels Nase rollen.

Emil schnuppert daran, dann dreht er den Kopf weg. Sonst ist Emil verrückt Karotten und kaut sie, dass es nur so kracht.

„Ist sie nicht gut?“, fragt Zausel.

„Doch, doch“, murmelt Emil. „Die Karotte ist gut. Aber mir nicht.“

„Was ist denn los?“, fragt Mimmi besorgt.

Sie sieht, wie Emil eine Träne über die graue Wange rollt. Dann holt er tief Luft „Iiih“ (bitte Luft einziehen) und brüllt „uAaah, Iiih-uAaah!“ Ganz laut und ganz traurig.

„Au, miau“, maunzt Mimmi. „Das ist ja nicht zum Aushalten.“

„Richtig ansteckend“, winselt Zausel. Da klingelt es am Gartentor. „Die Post ist da“, kläfft er und rennt weg. Er muss doch jeden Tag den Postboten begrüßen.

Emil will nicht mehr weinen und zupft stattdessen ein paar Grashälmchen. Dabei verschluckt er sich. „Hick.“ Jetzt hat er Schluckauf.

„Warum bist du so traurig, Emil?“, will Mimmi wissen.

„Ich, hck, ich hab so Sehnsucht, hck“, erklärt der Esel.

„Sehnsucht?“ Mimmi wundert sich.

„Nach Marie, hck“, erklärt Emil. „Marie ist mein Mensch, ein Iind. Marie hat mich zum Reiten und Liebhaben gekriegt.“ Emils Tränen tropfen ins Gras. „Iiaah, hck. Marie ist weg. Nach Italien. Mit ihren Eltern. Und mich haben sie einfach hier abgegeben.“

„Na, sie werden dich schon wieder abholen“, maunzt Mimmi ungeduldig. „Wenn die Ferien vorbei sind.“

Aber Emil kann es nicht glauben. „Marie hat mich vergessen. Hck. Ganz gewiss. Iiih-uAaah, Iiih-uAaah!“

Da kommt Zausel angerannt. Aufgeregt bellt er: „Post, Post für Emil Esel.“

Tante Thea kommt auch, sie hat die Postkarte in der Hand. Vorne ist Italien drauf und hinten steht etwas. „Für dich, Emil“, sagt Tante Thea. „Soll ich es vorlesen?“

Emil nickt, dass seine Ohren wackeln. „iJaah, iJaah.“

„Lieber Emil“, fängt Tante Thea an. „Italien ist schön, das Meer auch. Aber mit dir wäre es noch schöner. Du fehlst mir so. Viele Grüße und bis bald, deine Marie.“

„iJaah“, brüllt Emil, aber diesmal voller Freude. „iJaah!“ Dann springt er auf der kleinen Wiese neben dem Geräteschuppen herum und freut sich. Jeden Morgen muss ihm Tante Thea die Postkarte von Marie vorlesen. Bis sie eines Tages selber da ist und Emil abholt.

„Ihr werdet mir fehlen“, sagt er traurig zu Zausel und Mimmi beim Abschied. Seine Tränen tropfen schon wieder.

„Aber Emil“, lacht Marie. „Du darfst doch in den nächsten Ferien wieder zu Zausel und Mimmi in Tante Theas Tierpension.“

 

 

 

6. Alles voll

 

Es ist Sommer geworden und heiß. Tante Theas Tierpension ist voll, denn die großen Ferien sind da. Im Garten liegt ein Zwergdackel im Schatten unter dem Apfelbaum. Es ist Zausel. Er gehört Tante Thea, genau wie Mimmi. Mimmi ist eine Katze. Sie sitzt auf dem Brunnen neben dem Apfelbaum, und zwar auf dem Abstellbrett für die Gießkanne und starrt ins Wasser.

„Ich versteh gar nicht“, hechelt Zausel, „was da so interessant ist.“

Aber Mimmi gibt keine Antwort und starrt weiter. Da hält Zausel es nicht mehr aus und springt auch auf das Brett. Der Brunnen ist rund und alt und innen mit Moos und Algen bewachsen, deshalb sieht das Wasser braun aus, obwohl es frisch ist. Oben sonnenwarm und unten brunnenkühl. Und in der Mitte schwimmt etwas.

„Meine Güte!“, kläfft Zausel. Zwei runde Augen glotzen ihn an. Sie gehören einem Goldfisch, einem dicken, roten Goldfisch mit Schleierflossen und Glubschaugen.

„Da ist noch einer“, maunzt Mimmi und angelt mit der Pfote nach einen gelben Schimmer.

„Mimmi, Zausel,“, ruft Tante Thea und kommt atemlos angerannt. „Runter vom Brunnen! Das sind kostbare Goldfische und unsere Gäste, hört ihr. Sie heißen Himmelsgucker, Zitronella und Oranschat Himmelsgucker.“ Tante Thea kichert und vergisst, Mimmi und Zausel vom Brunnen zu schubsen. Sie bleiben einfach sitzen und sehen zu, wie sie die Goldfische füttert. Aus einer Dose schüttet Tante Thea rosa und gelbe Flocken ins Wasser. Die Fische öffnen ihre runden Mäulchen und ziehen sie rein.

Danach spannt Tante Thea ein Netz über den Brunnen. „So“, lächelt sie. „Jetzt könnt ihr Fische gucken, so lange ihr wollt. Ich muss wieder an die Arbeit. Im Haus alles ist besetzt. Nirgends war mehr Platz für das Aquarium.“ Sie blickt die Goldfische an. „Ich hoffe, es gefällt euch hier.“

Zitronella glotzt Tante Thea an, dann taucht sie ab. Oranschat folgt ihr in die dunkle Tiefe.

Mimmi streckt und reckt sich, springt vom Brunnen und folgt Tante Thea ins Haus. „Zeit für einen Happen.“ Das findet Zausel auch.

Als es Nacht geworden ist, eine Sommernacht voller Sterne, tauchen Zitronella und Oranschat Himmelsgucker wieder auf und schauen hinauf. Plötzlich schießt ein Lichtpünktchen durch das Universum, überquert die Milchstraße und verschwindet auf der anderen Seite.

„Eine Sternschnuppe“, blubbert Oranschat. „Wünsch dir was, Zitronella!“

Zitronella nickt und schließt für einen Moment die Augen.

„Was hast du dir gewünscht?“, fragt Oranschat.

„Sag ich nicht“, flüstert Zitronella. „Sonst geht es nicht in Erfüllung.“

Am andern Tag steht Tante Thea sehr früh auf und bringt den Gartenteich in Ordnung. Sie setzt eine Seerose ein und läßt Wasser einlaufen. Ja, der Teich ist noch dicht. Dann fängt sie die Golfische mit einem Netz und setzt sie hinein.

„Wundervoll“, seufzt Oranschat.

„So hab ich es mir gewünscht“, blubbert Zitronella.

Das Schilf am Rand wispert, und eine Libelle fliegt herbei.

Plötzlich quakt es. „Ist hier noch ein Platz frei?“

„Nein, alles besetzt!“ blubbern Zitronella und Oranschat und glotzen den Frosch an, der sich am Schilfrand breit gemacht hat. Aber der Frosch lässt sich nicht aufhalten. Mit einem lauten Platsch springt er in den Teich. Jetzt ist Tante Theas Tierpension aber wirklich voll.

 

 

7. Geburtstag

 

Die Ferien sind vorbei. Alle Tiere aus Tante Theas Tierpension sind abgeholt worden und wohnen wieder zu Hause bei ihren Menschen. Alle? Nein, zwei dürfen immer bei Tante Thea sein: Zausel und Mimmi, ein Zwergdackel und eine Katze. Sie sitzen im Garten und überlegen, was sie Tante Thea zum Geburtstag schenken wollen.

„Ich gebe ihr meinen größten Knochen“, beschließt Zausel großzügig und buddelt ihn aus.

„Und ich werde Tante Thea ein Lied singen“, fällt Mimmi ein.

Am anderen Tag ist es soweit. Tante Thea hat den Geburtstagstisch im Garten gedeckt, mit Hundekuchen und Katzenkeksen. Sie freut sich riesig über Zausels Knochen. Gerade will Mimmi ihr ein Katzenlied singen, da läutet es an der vorderen Gartentür.

„Wer kann das sein?“ Tante Thea steht auf. Es ist Emil Esel. „So eine Überraschung, komm doch rein, Emil!“

Über seinem Rücken hat der Esel zwei Taschen hängen, zwei Fahrrad-Gepäckträger-Taschen.

„Was ist da drin?“, fragt Mimmi neugierig und schnuppert an einer.

„Vorsicht!“, faucht es und Laura Leguan springt heraus, direkt auf den Geburtstagstisch. „Alles Gute, Tante Thea!“

„Das ist aber lieb, dass du mich besuchst“, sagt Tante Thea. „Wie groß du geworden bist.“ Laura Leguan ist inzwischen länger als Mimmi. Die hält sich in respektvoller Entfernung. Laura hat sie mal mit ihrem grünen Schwanz erwischt und vom Apfelbaum geschubst.

Leo Löwenhase hüpft aus der anderen Tasche. „Hier bin ich“, brüllt er. „Spielen wir Zirkus?“ Leo ist ein Hase, der sich vor nichts fürchtet, weil er innerlich ein Löwe ist.

„He, Leo“, bellt Zausel. „Schön, dass du da bist.“

Das findet Tante Thea auch. Sie läuft ins Haus und holt Karotten für Emil und Leo.

„Und ich?“, zischt Laura. „Krieg ich nichts?“

„Oh, entschuldige“, sagt Tante Thea und springt wieder auf. Laura Leguan bekommt einen frisch gepflückten Salatkopf.

„Küsschen, Küsschen!“, kreischt es plötzlich vom Himmel.

„Koko Kakadu!“, jault Zausel. „Da fliegt er.“

„Na, toll“, maunzt Mimmi. Sie sind immer noch ein bisschen eiferstüchtig auf ihn.

Der weiße Kakadu landet auf Tante Theas Schulter und sagt leise in ihr Ohr: „Alles Gute zum Geburtstag!“

„Danke, Koko!“ Tante Thea springt sie auf, läuft ins Haus und bringt Koko einen Maiskolben. Koko knackt die Körner und findet Tante Theas Geburtstag Klasse. Da läutet es schon wieder. Mimmi setzt sich auf Tante Theas Schoß, damit sie endlich mal sitzen bleibt, und Zausel rennt bellend zur vorderen Gartentür. Er kommt mit einem Brief zurück. „Den hat der Postbote gebracht“, keucht er. „Er riecht nach Fisch.“

Tante Thea öffnet den Brief, aber da ist nichts drin. Nichts, außer zwei Schuppenplättchen, eines rotgolden und das andere zitronengelb. „Das sind Grüße von Zitronella und Oranschat Himmelsgucker“, sagt sie gerührt. „Das sind die beiden Goldfische, die bei uns in den Sommerferien waren.“

Und dann erzählen alle, wie es war, als sie bei Tante Thea in den Ferien waren. Es wird ein wunderbarer Geburtstag.

„Mein schönster“, sagt Tante Thea. „Danke, dass ihr alle gekommen seid.“

 

Und dann singt Mimmi endlich ihr Lied, und bald ist es Zeit zum Heimgehen. Nur Zausel und Mimmi blieben bei Tante Thea in der Tierpension. Weil sie dort zu Hause sind.

 

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