Besprechung

 

Am Sonntag, den 13. September 2009 war im Freiluftmuseum von Massing was los. Sogar das Wetter hat gepasst, und wir, das Publikum, wurden von einer Führerin zum Kochhof geleitet und hörten Interessantes darüber. Da stehen wir also im freien Geviert zwischen Wohnhaus, Stall, Stadel und Troadkasten neben dem Misthaufen, da rührt sich was: Leni, die junge Kochhofbäurin entdeckt eine Fremde im städtischen Gewand mit einem Koffer. Das ist die Tant Marie, die zum Fechten bei ihrer Rottaler Verwandtschaft angereist ist. Der junge Bauer begrüßt sie auch und schimpft gleich auf den verlorenen Krieg, den ersten, dann zeigt er seiner Tante stolz den neuen Bulldog. Nun wird ins Haus gegangen und wir, die Zuschauer, schieben uns hinterher, die Szenen werden mitten unter uns gespielt. Leni bedankt sich artig für das Mitbringsel, ein Operntäschchen, und ist stolz auf die Nähmaschin und die neuen Fenster. Man kriegt ja alles so günstig um 1930, für einen Sack Troad oder zwei. In der Küche steht der neue, hochmoderne Herd mit den hellblauen Kacheln und statt der alten Irdenware das praktische Emaillegeschirr. Das Sauerkraut im großen Weißblechhafen riecht so gut, dass der Hunger der Tant Marie immer größer wird.

Im oberen Stock bewundert sie die noble Knechtkammer und das Sach im ehelichen Schlafzimmer, die Betten und Kästen, das Leinen und die Paradekissen. Und schließlich wird mit dem Mädie im Kinderbett „Rösserl, Rösserl b’schlagn“ in der niederbayerischen Variante gespielt. Und dann gibt’s endlich was zum Essen für die ausgehungerte Tant, und wir werden zum Schusteröderhof in die Wirtschaft geschickt.

Die SchauspielerInnen Josepha Sophia Sem, Barbara Lackermeier und Sebastian Goller spielten so lebendig, machten uns den Hof, die Zeit und das Sach um 1930 echt erlebbar durch ihre starke Gegenwart. Für die anwesende Autorin war es das reinste Vergnügen zu erleben, wie aus ihrem Text ein unabhängiges Spiel geworden war. 

 

DAS KOCHHOF-THEATER

 

Ein Stück in drei Akten 

 

PERSONEN LENI, 23, junge Kochhofbäurin

 

TANTE, Tant Mari, 45, Besuch aus München

 

MARTL, 27, junger Kochhofbauer

 

ORTE Auf der Gred

 

Im Flez

 

In der Stube

 

In der Küche

 

In der Speis

 

Im ersten Stock auf der Diele

 

Im der Knechtkammer

 

Im großen Schlafzimmer

 

 

ZEIT Sommer 1930

 

 

 

1. AKT, 1. Szene

 

 

Wenn das Publikum gesammelt im Hof steht, öffnet sich die Haustür und LENI, die junge Bäurin tritt mit einem leeren Eimer auf die Gred. Sie ist eine fröhliche, frische Frau. Sie trägt ein Kopftuch und eine Schürze über dem Werktagsgewand. Man sieht, dass sie schwanger isr. Sie füllt den Eimer am Brunnengrand. Weil sie selbst aus einem großen Hof kommt, ist sie das Regieren gewohnt und ruft laut ihre Anweisungen den (unsichtbaren) Mägden zu. 

 

 

LENI Lisl. Lisl! Trag mir a Holz in d’Küch und a Wied aa. Aber gschwind.

 

Urschl, hol d’Wäsch runter, es regnet glei.  Oder: Häng d’Wäsch auf, dass’ trocknen wird bis auf d’Nacht.

 

Bist no net fertig mitm Stall, Afra? Schleun di!

 

Lisl, danach holst mir an Schnittlauch ausm Garten. Und tu heut no d’Bohnen brocken, die müssen runter.

 

Schneid s’Gsod, gschlamperte Gretl. Bist  no net weiter?

 

 

 

2. Szene

 

 

Im Rücken des Publikums rührt sich was: die TANTE Mari kommt durchs Hoftor, zu Fuß, mit einem großen Lederkoffer. Sie ist modisch-städtisch im Jugendstil gekleidet: das Kleid mit flachem Busen, tief gesetzter Taille, langer Halskette. Sie trägt Spangenschuhe mit Absätzen und einen Topfhut.  Sie ist 45 Jahre alt, bereits eine alte, verblühte Frau. Sie würde sich gerne hervortun als moderne Frau aus der Stadt, als eine, die sich auskennt. Aber Mari hat das Wohlwollen ihrer jungen Verwandtschaft nötig, denn sie will mit Lebensmitteln heimkehren. Sie ist nämlich auf Hamsterfahrt, deshalb hat sie einen großen Koffer mitgenommen.

 

 

LENI Was kommt denn da für eine daher? A Stadterin. Mit so am Trumm Koffer. Was will die denn bei uns?

 

TANTE kommt schnaufend näher.  Ihr habts aber an Haufen Mist, alle Achtung. Und wie viel Stuckerer Viech?

 

LENI Zwölf Küh und zwoa Sauen ... Aber was geht denn di des o?

 

 

TANTE Hat sich inzwischen auf die Gred gestellt.

 

Du bist also die neue Kochhof-Bäurin, die junge Leni, gell?

 

LENI Scho ... 

 

TANTE Na samma verwandt. Geh nur her und lass di.

 

Umarmt und busselt sie ab.

 

LENI No. So was. Wie komm i zu dera Ehr?

 

TANTE I bin d’Mari. D’Sattler Mari. Zu deim Mo seim Vater sei Schwester. Verstehtst?  D’Tant Mari. Des bin i.

 

LENI So, du bist d’Tant Mari. Was wuillstn du bei uns? 

 

TANTE lenkt ab:  Ja, habts ihr jetzt den alten Stadl allwei no? Und sogar frisch o’gmalt. Sauber, sag i. Und des hohe Trumm dahint. Scho von der Weiten sieht mas. Wie der Turmbau z’Babel. Dass euch net Sünden fürchts. 

 

LENI Du warst aber scho lang nimmer da, Tant Mari. Des is unser Windbrunnen. Gute 10 m ist er tief und holt uns as Wasser rauf. Der is doch scho neunzehn-dreiazwanzg baut worn.

 

TANTE Vor sieben Jahr. Ajajajai, wie d’Zeit vergeht ... und s’Licht verbrennt

 

LENI und die Alt is no net gstorbn –

 

TANTE hat der sell Bauer gsagt. Lacht.

 

LENI lacht auch.  Gell, den Spruch kennst du aa.

 

TANTE S’Licht. Genau. Jetzt habts ja aa as elektrisches Licht, direkt am Haus. Und as Wasser aa.

 

LENI Und im Stall drüben hamma aa an Anschluss.

 

TANTE Nobel geht die Welt zu Grunde. Und der Martl. Ja wo is er denn, mei Burli?

 

LENI Dei Burli, der Martl? Des is mei Mo.

 

 

3. Szene

 

 

Der Martl fährt mit dem Traktor in den Hof ein. Er ist ein junger Bauer im Arbeitsgewand mit Stiefeln und Hut.

 

 

TANTE schreit über den Lärm: 

Ja, um Gottshimmelswuilln. So a Maschin. Des is ja -

 

LENI schreit auch:  Schau, Martl, wer da is: Die Tant Mari.

 

MARTL stellt den Motor ab.  Ja, Tant Mari. Ja, wo kummstn du her?

 

TANTE Aus Minga. Mit der Eisenbahn.

 

MARTL Aus Minga?

 

LENI Wo d’Leit stinga. – Auf unsrer Hochzeit vor zwoa Jahr warst fei net da.

 

TANTE bemüht hochdeutsch:

 

Ich hab meinen Mann seelig doch nicht allein lassen können bei seim langen Sterben. 

 

LENI Mein herzliches Beileid, nachträglich.

 

MARTL Meins aa, Tant Mari. Und was führt di heut her zu uns?

 

TANTE lenkt ab:  Wie geht’s der Mutter, Martl? Dei Vatter, mein Bruder, der, der is ja nimmer. 

 

MARTL Der Mamm geht’s gut. Ja, und der Bapp ist gfalln ...

 

TANTE ... auf dem Feld der Ehre. Der Herr sei seiner Seele gnädig.

 

LENI Und das ewige Licht leuchte ihm.

 

MARTL Amen. Der Saukrieg 14/18. Was uns der kost.

 

TANTE Mei, mir ham ihn halt verloren, den Krieg.

 

MARTL Verlorn? Mir? Gar net wahr. Verraten hams uns, as Messer, an Dolch hams uns von hint neig rennt. Die andern, die ganz die andern.

 

LENI Ja, ja, da ist schon was dro.

 

TANTE Es is halt a schlechte Zeit. Und schuld sind die in Berlin droben. Alles wird allweil teurer und das Geld is nix mehr wert. Und gebn tuts aa nix mehr in der Stadt: koa Brot, kein Fleisch, koa Gräucherts, rein gar nix. 

 

LENI leise:  Ah, daher weht der Wind. Laut:  Werst an Hunger ham.

 

TANTE wehrt ab:  Na, na. – Ja, Martl. Brauchst du überhaupt no Rösser mit so am Trumm Bulldog.

 

MARTL Des is a Lanz Bulldog, Tante. Ein HL 12 PS. Na, zum Ackern brauch i jetzt d’Rösser nimmer. Die nimm i bloß no fürs Holz.

 

TANTE Des is die neue Zeit. Nur no Maschinen, nur no Maschinen.

 

LENI Net nur, Tant Mari. Fürs Fahrn mit der Chaisn hamma scho no die Wagl-Ross.

 

MARTL Des kemma an Lenz na do net o’doa, dass ma gar koane Ross mehr ham.

 

TANTE Der Lenz? Der Rosserer? Ja, lebt der no?

 

MARTL Freili, der kann doch seine Ross net allao auf der Welt zrucklassen. Er schlaft bei eahna, obwohl in der Knechtkammer a Bett frei wär.

 

LENI Ja, der Lenz ghört no zum alten Schlag. Aber sunst ... d’Leut san rar worn. Koaner mag mehr die Bauernarbeit doa. Alle gengans in d’Stadt.

 

MARTL In d’Fabrik. A Schand iss.

 

TANTE Da verdienens halt mehr. Und d’Arbeit is net gar so hart als wie aufm Land.

 

MARTL Und i brauchs aa gar nimmer, des Gschwerl, des notige. I hab jetzt an Bindemäher.

 

TANTE An was hast?

 

MARTL An Bindemäher. Den ziag i mim Traktor übern Acker, na maht er ma as Troad und binds a glei. Was sagst jetzt?

 

TANTE Da sag i nix mehr.

 

LENI Und i sag: Jetzt kimmst endlich amoi eini. Gib mir dein Koffer!

 

TANTE Na, na. Den trag i scho selber.

 

MARTL I muss no in d’Machlkammer. I hab no was z’doa.

 

LENI Is scho recht. Macht die Tür auf und geht hinein.

 

TANTE Mei, hab i an Kohldampf.

 

Macht Tür hinter sich zu, dann wieder auf. Tritt sich die Schuhe am Fußabstreifer gründlich ab. Zu Leni:

 

Dass i dir koan Dreck reitrag.

 

 Zum Publikum:

 

 

Ihr dürfts scho aa rei, kemmts nur!

 

 

 

Ich hab hier nur den 1. Akt eingefügt. Wer den 2. und 3. Akt lesen will, soll sich bitte bei mir melden per Kontakt.

 

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